Schmackhafte Sonderlinge

Wer kennt noch den Minister von Hammerstein? Die Ananas-Reinette, den Gelben Bellefleur oder den Gewürzluikenapfel? Letzterer etwa war der häufigste Tafelapfel im hiesigen Baden-Württemberg, nun ist er fast verschwunden. Der Fotograf William Mullan bringt seine fast vergessenen Verwandten liebevoll in Erinnerung.

Aus den Bergen des asiatischen Himmelsgebirges verbreitete sich der Apfel in unzähligen Variationen. Wie das Vorwort von „Odd Apples“ verrät, bewirkte seine genetische Sprunghaftigkeit, dass früher fast jeder Gärtner seine eigene Sorte züchtete, von denen die oben genannten sich als Hochgenuss hielten. Mullan spürte die alten Sorten vorrangig in den USA auf, und arrangierte sie als Augenschmaus.

Die erste Rarität, die Mullan entdeckte, wäre in jedem Supermarkt unverkäuflich. Der Knobbed Russet sieht aus wie eine verschrumpelte Fruchtmumie, soll aber köstlich schmecken. Vor einem moosgrünen Farbverlauf präsentiert er selbstbewusst seine inneren Werte. Geisterhaft Weiß und vor vor zartem Himmelblau scheint der russische Yellow Transparent auf. Jenseits solcher Merkwürdigkeiten prunkt der rot marmorierte Niedzwetzkyana mit inwendigem Feuer. So wie sie erfreuen immer neue überraschende Variationen auf hundert Seiten den Apfelliebhaber.

Mullan inszeniert die Früchte sparsam, aber überlegt. Ein einfarbiger Hintergrund hebt die jeweilige Palette seines Stars optimal heraus, meist genügt ihm ein einzelner Glanzpunkt. Dazu kommen in Zen-buddhistischer Schlichtheit wenige Details: Mal ist es ein schräger Anschnitt, mal ein Schnitz, der sich aus dem Apfel emporstreckt, ein Wurmloch oder eine Blüte. Kurze Erläuterungen im Anhang verraten zudem Anbaugebiete, Geschmack und weitere Eigenheiten.

Das Büchlein blättert man auf der Suche nach bekannten oder spektakulären Sorten vielleicht anfangs schnell durch. Dann offenbart es sich als Kleinod, das mit der Zeit zur vollen Reife kommt. Freunde des Stilllebens ebenso wie die von alten Apfelsorten werden es lieben.

William Mullan: Odd Apples. Hatje Cantz 2021. 128 Seiten, Hardcover, englisch, 15 mal 19 cm , ISBN 978 3 7757 5112 4, Preis: 18 Euro