Interview

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Bernd Opitz: Beweglich bleiben

Bernd Opitz ist als Fotograf ebenso ideenreich wie vielseitig. Im Interview erzählt er, wie er seine Talente kultiviert und welche Rolle die Technik dabei spielt.

FOTO HITS: Ihr Weg ging über die Musikpresse zu "Stilllife", "Interior" und schließlich Beauty- und Modefotografie. Wie kam es dazu?

Bernd Opitz: Ich hatte eine richtige Berufsausbildung: Drei Jahre lang ging ich in die Lehre, assistierte einige Zeit in Hamburg und machte mich dann 1991 in Hannover selbstständig.

FOTO HITS: Sie lernten also die klassische Lichtsetzung?

Bernd Opitz: Genau. Es war ein reines Werbestudio und wir arbeiteten viel mit einer Fachkamera. Wir entwickelten noch Analogfilm in einer Schale und besaßen sogar eine eigene E6-Entwicklermaschine.

FOTO HITS: Das Auflösungsvermögen dieser Großformate war ja so hoch, dass wir in Testfotos sogar die Irisstruktur im Auge eines Models erkennen konnten.

Bernd Opitz: Heutige digitale Rückteile stehen dem in nichts nach. Doch aufgrund der kleineren Sensoren und der Abbildungsmaßstäbe ist der Look einfach anders. Blende f5,6 und eine lange Brennweite sieht bei einer Fachkamera anders aus wie bei einem Mittelformat-Chip. 

FOTO HITS: Ihre Fotos dürften damit - anders als viele Ihrer heutigen Werke - vor allem im Studio entstanden sein.

Bernd Opitz: Als ich mich zusammen mit einem Freund selbständig machte, war ich vor allem im Stilllife-Bereich tätig. Das hieß: Morgens rein und abends raus aus dem Studio. Etwa 2001 orientierte ich mich neu in Richtung Interior-Fotografie. Damit begann ich, etwa für Wohn-Magazine zu produzieren. Hier arbeitete ich mit vielen Leuten zusammen, wobei auch viele modische Aspekte hineinkamen. Darüber kam ich wiederum in die People-Fotografie hinein, in der ich mittlerweile zehn Jahre tätig bin.

FOTO HITS: Der eigene Stil sichert Wiedererkennungswert. Wie empfehlenswert ist es für einen Fotografen, mehrmals das Genre zu wechseln?

Bernd Opitz: Ich fühle mich sehr wohl dabei. "Stilllife" etwa war eine gute Grundlage. Denn hier kommt es darauf an, die Materialität eines Gegenstands im Auge zu behalten. Bei "Interior" wiederum hat man es mit glänzenden Oberflächen im Küchenbereich zu tun - das ist wie Stillleben im Großen. Wenn man einmal das Licht verstanden hat, ist egal, auf welches Sujet man es anwendet. Doch fühlte ich mich dort nicht gänzlich aufgehoben.

Ich arbeite lieber mit Teams mit bis zu 20 Leuten zusammen, wobei es mir Spaß macht, deren Energie mitzubekommen. Ich denke, man muss sich immer wieder neu erfinden, so einen Genre-Wechsel finde ich hierfür befruchtend. Das schließt nicht aus, eine eigene Handschrift zu entwickeln.

FOTO HITS: Welche Rolle spielt hierbei die Technik?

Bernd Opitz: Man darf sich nicht zu sehr mit ihr aufhalten, sie sollte beim eigentlichen Fotografieren außen vor bleiben. Die Energie sollte sich vielmehr auf den Fotografen, das Model und das Team konzentrieren. Wichtig ist hierfür eine gute Vorbereitung, die etwa 80 Prozent einer Aufnahme ausmacht.

FOTO HITS: Trotzdem prägt Zubehör wie der Lichtschachtsucher die Bildgestaltung. Er erleichtert, eine Szenerie auf einer planen Fläche zu abzuschätzen.

Bernd Opitz: Den vermisse ich tatsächlich sehr. Jahrelang fotografierte ich mit einer Rolleiflex 6008 und habe das Ding geliebt. Auf einer Mattscheibe komponiert man ein Bild einfach anders als in einem Sucher. In den frühen 2000er stieg ich auf Hasselblads H-Serie um, für die ein Lichtschachtsucher, aber kein Belichtungsmesser verfügbar war. Irgendwie landete ich wieder beim Prismensucher.

Vielleicht müsste ich im Mittelformatbereich mehr machen. Beispielsweise besitze ich ein digitales Rückteil von „Phase One“, das an eine Hasselblad H4x mit Lichtschachtsucher passt. Doch bei einer Kampagne mit viel Bewegung wie plantschenden Kindern bekommt man ein Problem mit der Fokussierung, es wäre kaum ein scharfes Bild dabei. Hier können Kleinbildkameras stark dagegenhalten, da ihre Technik im Autofokusbereich oft besser ist.

FOTO HITS: Gab es in den letzten Jahren weitere Kameratechnik, die Sie als entscheidenden Fortschritt bewerten?

Bernd Opitz: Dass man heute mit höherer Lichtempfindlichkeit fotografieren kann. Früher ließ sich vieles nicht umsetzen, weil man zwingend blitzen oder mit langen Belichtungszeiten arbeiten musste. Heute kann ein Fotograf locker mit ISO 1.600 arbeiten und daher viel mit Tageslicht gestalten.

Außerdem wächst bei Dauerlicht der Anteil von LED-Leuchten an, die leichter zu handhaben sind als Blitze. Daneben gibt es HMI-Lampen, die voluminöser, aber bezüglich Lichtführung einfacher sind. Solche Sachen haben mich weitergebracht.

FOTO HITS: Außerdem wurden die Beleuchtungsanlagen mobiler.

Bernd Opitz: Das stimmt. Ich habe als Stromgeneratoren oft zwei kleine Honda-Aggregate dabei, um Akkus oder Laptops nachzuladen. Mit ihnen kann man auch LED-Leuchten befeuern, was vieles einfacher macht.

FOTO HITS: Ganz ohne Schnickschnack toben sie sich in der Sektion "Heart Driven" aus, die auf Ihrer Website zu sehen ist. Hier fotografierten Sie durch regennasse Autoscheiben oder entdeckten spannende Kontraste in schmutzigem Schnee. Was bringen Ihnen solche Experimente?

Bernd Opitz: In der Werbefotografie ist vieles genau vorgegeben und es gibt wenige Möglichkeiten, vom Weg abzuweichen. Mit "Heart Driven" halte ich gewissermaßen die Finger geschmeidig. Es ist wie beim Sport: Man muss immer am Ball bleiben, trainieren  und neue Techniken ausprobieren.

FOTO HITS: Wie viel kreativer Spielraum bleibt bei den Jobs?

Bernd Opitz: Manche Auftraggeber erwarten, dass ich etwas 1:1 umsetze. Meine Arbeitsweise ist, dass ich genau dies mache und darüber hinaus - gewissermaßen "Freestyle" - Bilder umsetze. Manche nehmen dies dankend an, andere wollen exakt nur das, was mit den Kunden abgestimmt wurde. Manchmal wäre es schön, wenn Fotografen in den verschiedenen Entscheidungsebenen stärker beteiligt wären.

Allerdings kommt es darauf an, ob es sich um eine Kampagne mit einem Bild handelt, bei der die Text- und Layout-Blöcke feststehen, oder ob sie bis zu Social-Media-Webseiten verlängert wird. Dort soll alles zwar die gleiche Handschrift bezüglich Motiv oder Lichtregie tragen. Aber die Ergebnisse müssen ein anderes "Look and Feel" haben. Hier ist mehr Kreativität gefragt, da etwa eine Geschichte weitererzählt wird.

FOTO HITS: Daher dürften freie Arbeiten wie "Rainblog" ein guter Ausgleich sein.

Bernd Opitz: In der Werbung herrscht immer Sonnenschein, das bildete einen klaren Gegenentwurf dazu. Unabhängig davon kommt einem Fotografen das weiche Licht eines bewölkten Himmels unglaublich entgegen. Manchmal habe ich es mit Blitz oder LED etwas modifiziert.

Mich reizte daran, sämtliche Varianten der Outdoor- und People-Fotografie durchzuspielen, ohne mich einzuengen: nachts, morgens und bei Nieselregen fotografieren, von hinten blitzen, Leute in einen See stellen ... Die einzige inhaltliche Klammer ist, dass jemand nass ist oder es regnet.

Insbesondere beim Blitzen kam mir die digitale Technik entgegen: Man kann härteres Licht als früher benutzen, das intensive Highlights erzeugt. Dank des gegenüber einem Diafilm gesteigerten Kontrastumfangs ist es noch immer gut zu handhaben.

FOTO HITS: Was das Probleme aufwirft, dass man sich als Fotograf in dieser Freiheit verlieren kann.

Bernd Opitz: Tatsächlich muss er einen Plan haben, was er will. Ich bekomme etwa beim Blättern durch eine Zeitschrift eine Idee, die ich geradlinig verfolgen und umsetzen muss. Mit ihr kommt man zum Aufnahmeort und muss dort das Licht den Gegebenheiten anpassen. 

Ich habe beispielsweise oft einen Generator von Profoto dabei, manchmal nehme ich auch Geräte von "Arri" und einige kleine LEDs, da ich gerne mit Dauerlicht arbeite. Mit ihnen erspare ich mir das Verfahren "Versuch und Irrtum". Denn selbst die Einstelllichter von Blitzköpfen sind nicht wirklich tauglich.

FOTO HITS: Wann wissen Sie, dass ein Bild auf den Punkt genau sitzt?

Bernd Opitz: Bei mir geht von selbst die Motivklingel an und meldet "Dingdong", das ist das Bild, das ich brauche. Deshalb arbeite ich ungern mit Stativ, ich muss am Set beweglich bleiben.

Bernd Opitz

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Bernd Opitz arbeitet seit über zehn Jahren in der Interior-, Lifestyle- und People-Fotografie, für die er heute bekannt ist. Hierbei agiert er auf dem nationalen und internationalen Markt. Er ist Mitglied des BFF in Deutschland und des AOP in England. 

www.berndopitz.com