Interview

Bild

Marc Hom - Profiles

Der Däne Marc Hom ist ein gefeierter Porträtfotograf. Ihm zufolge entsteht ein gelungenes Bild vor allem, wenn zwei Persönlichkeiten zusammenfinden. FOTOHITS fragte ihn nach diesem Spannungsverhältnis.

FOTO HITS: In einem Interview sagten Sie, die Kamera sei eine unglaubliche Waffe, so wie ein Gewehr, das aufs Gesicht gerichtet sei. Ich sah Sie bei Aufnahmen, da wirkten Sie aber nicht wie ein Attentäter.

Marc Hom: Es ist irgendwie feindselig, wenn man jemanden mit der Frontlinse anvisiert. Nicht jeder ist bereit für eine solche – gewissermaßen – Entblößung. Aber bezüglich der ganzen Spannung zwischen demjenigen vor und hinter der Kamera – wenn man ein wirklich intimes Bild gestalten will, ist das Vertrauen zwischen beiden wesentlich. 

Natürlich geht es zuallererst darum, ein Bild zu bekommen, mit dem man wirklich zufrieden ist. Aber wenn ich schon in der Seele von jemandem herumwühle, ist es auch wichtig, dass derjenige vor der Kamera ebenso glücklich wie ich mit dem Endergebnis ist.

Ich war nie der Typ Fotograf, der Leute auf miese Art ausbeuten wollte. Vielmehr wollte ich etwas Zeitloses erschaffen.

Mickey Rourke und seine Freundin. Cannes Film Festival, 2011. © + courtesy Marc Hom
Mickey Rourke und seine Freundin. Cannes Film Festival, 2011. © + courtesy Marc Hom

FOTO HITS: Trotzdem haben Sie gewisse Vorstellungen von einer Person, die sie dann umsetzen wollen. Die Fotos aus ihrem neuen Bildband „Profiles“ bezeugen dies.

Marc Hom: Natürlich. Ich habe immer eine starke Vorstellung von dem, was ich bekommen will. Aber häufig verändern sich die Mutmaßungen über eine Person innerhalb einer einzigen Minute, in der sie vor dir sitzt.

Man muss hier offen bleiben, denn es handelt sich um die Zusammenarbeit zweier Menschen, eine Partnerschaft. Die großartigsten Ideen entstehen, wenn man etwas mit anderen teilt.

FOTO HITS: War das Foto des Regisseurs Lars von Trier, der aus einem Wohnwagen herausschaut, so ge­plant?

Marc Hom: Das war ziemlich lustig. Lars von Trier leidet unter Flugangst. Daher fährt er immer mit dem Auto oder per Zug. Mit diesem Wohnwagen reist er zwischen Kopenhagen und Nizza hin und her. Ich porträtierte ihn schon vier Jahre vor dieser Aufnahme, als er im berühmten Hôtel du Cap in Cannes abstieg. Dort wollte man mit dem Wohnwagen nichts zu schaffen haben, also durften wir ihn abstellen, wo wir wollten. 

Nicole Kidman und Lars von Trier, Cap D´Antibes, 2003, (c) und courtesy Marc Hom
Nicole Kidman und Lars von Trier, Cap D´Antibes, 2003, (c) und courtesy Marc Hom

FOTO HITS: Ein gutes Foto ist meist einfach aufgebaut. War es viel Arbeit, diese Schlichtheit zu erreichen?

 Marc Hom: Früher war ich gewohnt, eine Zeichnung vor der eigentlichen Aufnahme zu erstellen. Am Ende kam nie exakt das heraus, was ich mir zuvor vorgestellt hatte. Das reflektiert auch mein neues Buch „Profiles“. Es transportiert eine Art „Schnappschuss-Feeling“, darin wirkt es spontaner als der Vorgänger „Portraits“.  

Bei mir findet man keine durchgeknallten Tricks oder dass jemand auf den Boden sch… Wenn alles funktioniert, ergibt es auch zeitlose Werke. Sie beziehen sich nicht auf bestimmte Requisiten oder Momente. Mir geht es um die Menschen, von den Augen über das Gesicht bis zur ganzen Persönlichkeit.

Viele, die ich vor der Linse hatte, wurden bereits eine Million Mal fotografiert. Daher will ich einen ganz speziellen Moment zusammen mit dieser Person erleben. 

Quentin Tarantino and Nicole Galicia. © + courtesy Marc Hom
Quentin Tarantino and Nicole Galicia. © + courtesy Marc Hom

FOTO HITS: Aber ich gehe davon aus, dass sie etwa an der Royal Danish Academy of Fine Arts auch die technische Seite lernten. Wie stark prägt die ihre Arbeit?

Marc Hom: Ich verbrachte dort vier Jahre und betrachte es als Privileg. Später arbeitete ich mit einer Crew von vielleicht 20 oder 30 Leuten zusammen. Das war manchmal nervtötend.

Trotzdem schoss ich nur wenige Aufnahmen. Gerade in den 25 Jahren, in denen ich auf Film belichtete, war dies sehr schön. Ich verbrauchte für ein Porträt gerade einmal fünf Rollen, von denen ich 40 bis 60 Bilder entwickelte. Nur weil man eine Digitalkamera benutzt, müssen keine Millionen von Aufnahmen geknipst werden. Außerdem montiere ich niemals Hände oder Hüften irgendwo hin, meine Bilder entstehen ausschließlich in der Kamera. 

FOTO HITS: Haben Sie diese einfache Arbeitsweise immer bevorzugt?

Marc Hom: Nach meiner Zeit als Assistent in New York hatte ich die Ehre, um 1994 mit Fabien Baron, dem ausgezeichneten Art Director von „Harper’s Bazaar“ und Liz Tilberis, der Chefredakteurin, zuammenzuarbeiten. Anfangs hatte ich immer eine Menge Leute um mich herum, was lange Zeit wirklich großartig war. Letztlich aber verwendete ich niemals Tricks oder etwas Kompliziertes, das die ganze Aufnahme überfrachtete.

Ich benutze immer dieselbe Kamera, eine Nikon D800, und dieselben Objektive. Außerdem besitze ich noch eine digitale Leica, eine M9. 

FOTO HITS: Die Sache mit der Ausrüstung bestätigte eine niederländische Fotografin, die ich jüngst interviewte. Insbesondere Männer fragen sie ständig, mit welchem Zubehör sie ihre Porträts kreiere. Sie antwortet, dass es wichtiger sei, mit demjenigen vor der Kamera zu interagieren.

Marc Hom: Viele Menschen benutzen dieselbe Kamera, dieselben Blitzgeräte und was auch immer. Es kommt nur darauf an, wie man sie einsetzt. 

FOTO HITS: Hierfür ist das Foto von Mickey Rourke ein gutes Beispiel. Es ist einfach, irgendwie trashig, aber großartig. Wie viel Zeit verbrachten Sie mit dem Schauspieler, um eine lockere Stimmung zu erschaffen?

Marc Hom: Eine lange Zeit, und dies war einer jener besonderen Momente. Er hatte gerade den Film „The Wrestler“ herausgebracht, der seiner Karriere neuen Schwung gab, und er war sehr erpicht auf diese neue Chance.

Die Leute lieben oder hassen das Bild. Als ich meine Ausstellung in der Berliner Galerie „Camera Work“ hatte, diskutierten wir viel darüber, ob wir es zeigen – aber wir nahmen es mit hinein. 

FOTO HITS: Helmut Newton sagte einmal, dass er sich als Handwerker und nicht als Künstler verstehe. Wie sehen Sie sich? 

Marc Hom: Das geht Hand in Hand. Man muss zuerst einmal das eigene Handwerk beherrschen, damit ein Kunstwerk entstehen kann. Alles weitere muss man dann dem Betrachter überlassen. Gerade heutzutage ist handwerkliches Können wichtig. Denn unzählige Menschen denken, dass sie irgendwie alles machen können. Aber sie sind nicht wirklich gut in einer einzigen Sache. 

Als ich noch mit Analogfilm schoss, war dies entspannter, aber gleichzeitig konzentrierter. Ich musste fokussieren, reagieren und Entscheidungen treffen. Doch selbst wenn ich mit starken Persönlichkeiten zusammenarbeitete, kamen wir zu einem Punkt, in dem wir zusammenfanden. 

Profiles

Das großformatige Buch ist ein „Coffee Table Book“ im besten Sinn: Anders als mancher Protzband liegt es nicht nur auf dem Beistelltisch. Vielmehr laden die ruhigen, souverän gestalteten Fotos dazu ein, sich an ihnen bei einer Tasse Kaffee zu erfreuen.

Marc Hom: Profiles. teNeues 2017, 248 Seiten, Hardcover, Texte in Deutsch, Englisch und Französisch, ISBN: 978 3 8327 3433 6, Preis: 79,90 Euro

http://teneues-buecher.de/profiles-19085