Kolumne

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Der Ausschnitt

Gemeint ist damit weder Decolletage noch Scollatura. Für alle, die weder des Französischen noch des Italienischen mächtig sind: Googeln sie nach der Übersetzung. Sie denken hier einfach in die falsche Richtung.

 

Obwohl auch ich mich lieber in ein Dekolleté vertiefe als über blöde Bildausschnitte zu grübeln. Wenn nämlich eine scharfe Schnitte so ein Kleid mit weit ausgeschnittenem Dekolleté an hat…Ach, ich schweife ab. 

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So schön es auch aussieht, dies ist nicht gemeint. Zu solch schmutzigen Bildern kommen wir in einem später Kapitel. Denn was will man da noch ab- oder ausschneiden. So etwas kann jeder Blödmann ablichten. Uns soll es ja um den Bildausschnitt und nicht um irgendwelche zeigefreudigen Weiber gehen.

Gemeint ist bei unserem heutigen Thema selbstredend der Bildausschnitt. Immer, wenn Sie in oder an Ihrem Werk noch was ab- oder ausschneiden können, ist dieses (gemeint ist ihr Werk) nicht fertig gestellt. Es ist somit unvollendet.

Zwar hat der taube Beethoven eine Menge Kohle mit seiner „Unvollendeten“ gemacht, dies ist aber bei Ihnen nicht zu erwarten. Deshalb vollenden Sie Ihr Bild mit dem richtigen Ausschnitt. Sie könnten natürlich auch vor dem Erschaffen ihres Werkes ihr Hirn einschalten. Dann bräuchten sie nicht über so ein hinterher Rumgefummel nachzudenken. 

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Dies Bild soll uns als Beweis dienen. Bei diesem Machwerk wird auch durch Aus- oder Wegschneiden mal überhaupt nichts besser. Hier hilft vermutlich nur wegschmeißen – löschen. Dieses Bild hat total keine Aussage. Es wäre besser, es wäre nie gemacht worden.

  Die vorgehensweise beim Ausschnitt ist wie folgt: Versetzten Sie sich in den späteren Betrachter Ihres Schaffens. Entfernen Sie alles Überflüssige und lenken Sie die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Das Wesentliche sollte immer die Aussage sein. Diese muss in ihrem Bild eine gewisse Rolle spielen.

Zum Ab- oder Ausschneiden nur so viel: Ja, es sollte weh tun, das Schneiden. Denn da haben Sie schon mal ordentlich was auf ihrem Foto, und dann sollen sie es abschneiden und in die Tonne hauen. Denken sie aber immer – weniger ist oft mehr. Machen sie es den Freunden ihrer Bilder leicht. Die Dumpfbacken können meist kein Foto mit tausend Details erfassen. Die brauchen eine Kernaussage – sprich eben nur das Wesentliche. 

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Schon das Original (links) erinnert an ein Werk aus den größten Museen der Welt. Die Stange in der Hand bewirkt durch die aufsteigende Dynamik eine Zweiteilung des Werkes. Der Gesichtsausdruck des „Wahnsinnigen“ kommt aber noch nicht recht heraus. Dies galt es beim Finden des richtigen Ausschnittes herauszuarbeiten. Im Bild rechts kann man den Unterschied überdeutlich sehen. Die Diagonale wird jetzt durch die putzige, kleine Kamera, die schräg im Bild unmotiviert in der Hand zerquetscht wird, sauber herausgearbeitet.

Weiter ist es wichtig, beim Abschneiden dem Goldenen Schnitt zu folgen. Sie haben ja den Da Vinci Code gelesen. Sonst kommt nach ihrem viel zu frühen Ableben irgendein Fuzzy und interpretiert da etwas rein, was hier mal überhaupt nichts zu suchen hat. Dann haben sie den Salat und die Nachwelt ein total falsches Bild von ihren Kunstwerken. 

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Besser hätte auch Leonardo so ein Bild nicht komponieren können. Der Fotograf – besser die Fotografin – meine Königliche Hoheit - hat die Aufteilung im Bild total dem Goldenen Schnitt untergeordnet. Diesen habe ich zur Verständlichkeit über das Werk legen müssen. Sie sehen aber, wie sich alles kreuzt und wie die Flächen aufgeteilt wurden. So etwas erfordert schon Fingerspitzengefühl. Die Flasche in der Bildmitte liegt in einem gleichschenkeligen Dreieck. Diese Komposition ist fast schon zu perfekt. Um nicht ein zu gelacktes Bild zu haben, dreht das Super Model, also ich, den Kopf etwas aus der Achse. Hier brauchte überhaupt nichts beschnitten zu werden. Die Königin ist halt eine begnadet Bildgestalterin.
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Links sehen Sie, was passiert, wenn man falsch beschneidet. Der Sonnenuntergang ist weg. Auch das Hochformat ist nicht empfehlenswert für so einen Klassiker. Rechts können Sie mitfühlen, wie es sein sollte. Hier wird die ganze Dramatik eines Sonnenunterganges hervorragend rübergebracht. Dieser Untergang ist geradezu meditativ. Ich vermute, so haben sie das Verschwinden der Sonne auch noch nie gesehen.

  Weiter sollten Sie überlegen, ob ihr Bild als ein Hoch- oder ein Querformat genutzt werden soll. Auch das können sie über den Ausschnitt steuern.

Denken Sie aber bitte etwas mit. Ein Horizont mit Sonnenuntergang geht total nicht als Hochformat. Außer sie haben nur Platz für einen Rahmen im Hochformat und wollen in diesen das Panorama herein zwängen. Dies sind äußere Umstände, und diesen sollten sie Rechnung tragen. Aber bitte nur hier. Hier ist dieses Herangehen erlaubt.

Bitte achten Sie darauf, nicht das Wesentliche abzuschneiden. Dann versteht kein Mensch mehr, was Sie eigentlich mit dem Werk ausdrücken wollten. Wenn Sie das Wesentliche entfernen, entsteht nur ein so überhaupt nicht aussagefähiges Ergebnis. Damit sollten sie sich nicht zufrieden geben. Das wäre dann doch etwas unter ihrer Würde als Lichtmaler.