Interview

Hartmut Seehuber: Foodscape für die Bäckerei K+U

Hartmut Seehuber bereitet einen Augenschmaus zu

Bilder müssen schmecken, lautet das Credo von Hartmut Seehuber. Der Profi-Fotograf erzählt, welche Zutaten man hierfür  benötigt.

Hartmut Seehuber: Christian Scharrer
Zu sehen sind Überbleibsel, die der Koch Christian Scharrer bei der Zubereitung eines Gerichts hinterließ. Aus ihnen zauberte Hartmut Seehuber ein nuancenreiches Stillleben.

FOTO HITS: Wie kam es, dass Sie sich auf die  Food-Fotografie spezialisierten?

Hartmut Seehuber: Eigentlich komme ich aus der Technik-Fotografie, früher arbeitete ich bei einem der besten Automobil-Fotografen Europas, bei Manfred Rieker. Daneben lichtete das Studio Möbel und Küchen ab.

Ich hatte ohnehin schon immer einen Affinität zum Kochen. Also kombiniert ich in meiner Freizeit Stillleben mit Essen. Als freie Arbeiten begann ich beispielsweise, so genannte „Foodscapes“ zu kreieren, also Landschaften aus Nahrungsmitteln. Als ich mich im Jahr darauf selbstständig machte, konnte ich mit diesen Bildern für mich werben, was sofort von Erfolg gekrönt wurde. Für die Firma „Philips“ etwa gestaltete ich Prospekte für Backöfen, Mikrowellen und Kühlschränke.

FOTO HITS: Ihre Ausbildung wirkt mit Studium, Assistenz und Selbstständigkeit recht geradlinig. War dieser Weg vorgegeben? 

Hartmut Seehuber: In der Schule zeichnete ich gerne, aber von Fotografie hatte ich keine Ahnung. Zuerst wollte ich Kunst studieren, bewarb mich aber dann in der Fachhochschule Würzburg auf den Studiengang "Kommunikationsdesign".

Dort lernte ich, dass man mit einer Kamera auch konzeptionell arbeiten kann, also nicht einfach losgeht und knipst, sondern erst einen Entwurf erstellt. Dann fotografiert man das Motiv möglichst exakt nach dieser Vorlage. So entstand auch die Serie "Was vom Tage übrig blieb", die als Kalender erschien.

Solche Projekte mache ich immer im Team. Zu ihm gehört ein Gestalter, der zusammen mit mir das Konzept erstellt. Der Mann von der Druckvorstufe macht zudem die Bildbearbeitung, dann benötigen wir noch einen Drucker. So entstanden mehrfach preisgekrönte Kalender.

Außerdem arbeite ich mit mehreren Food-Stylisten zusammen. Aber manchmal platziere ich die Objekte selbst. Beispielsweise habe ich jüngst Nudeln in einem kleinen Setting fotografiert, allerdings war die dahinterstehende Idee ausgefallen. In solchen Fällen ist es besser, wenn ich es selbst probiere. Der Food-Stylist war stattdessen dafür verantwortlich, dass die Nudel frisch aussah. 

FOTO HITS: Hierfür gibt es einige Anleitungen. Doch alle Tricks sind nichts ohne eine gute Idee. Woher nehmen Sie diese?

Hartmut Seehuber: Grundsätzlich habe ich einen eigenen Stil entwickelt, das geschieht in einem längeren Prozess. Wenn man wachen Auges durch die Gegend geht, fallen einem Dinge auf, die andere übersehen. Wenn ich in der Entspannungsphase bin - etwa abends im Bett liege - kommen mir die besten Einfälle. So entstanden die "Foodscapes". Ich hatte zuvor Landschaften gesehen und dachte, die kann ich auch mit Brokkoli und Grünkohl nachbilden. 

Dann kam die Planung: Welche Lebensmittel sind geeignet und wieviel benötige ich davon, um eine weitläufige Landschaft vorzutäuschen? Dazu musste ich sicherstellen, dass auch fotografisch der Eindruck von Tiefe erzeugt wird. In meiner Assistentenzeit schloss ich mich nach Feierabend ein und habe es einfach ausprobiert. Da wir damals auf Dia-Film belichteten, sah ich erst, was ich anders machen musste, wenn das Ergebnis aus dem Labor zurückkam. 

Dabei musste ich lernen, Abstand vom eigenen Werk einzunehmen. Dann konnte ich ehrlich zu mir sagen: So wie ich das arrangiert habe, sieht das noch nicht gut aus oder sogar den Mut aufbringen, alles neu zu machen - wenn nötig sogar zwei- oder dreimal. Das passiert mir durchaus im Abstand von einigen Jahren, wenn ich eine Idee als gut erkannte, aber die Umsetzung noch unperfekt war. 

Mit der Zeit entwickelt man eine Blick dafür, welche Proportionen und Abstände passen. An manchen Details machen wir unter Umständen mehr herum als an dem gesamten Arrangement. Das fängt bei einem Foto für ein Kochbuch mit Messer und Gabel oder Serviette an: Wie positioniere ich sie, damit sie gut aussehen? Manchmal geht es darum, ein Salatblatt um Millimeter zu verrücken, um das Bild ausgewogen wirken zu lassen. Das muss man sich erarbeiten.

FOTO HITS: Sie haben dadurch eine vielfältige Bildsprache entwickelt. Neben altmeisterlich wirkenden Stillleben beherrschen sie auch grafisch anmutende Kompositionen. Wenn aber ein Auftrag vorgegeben ist, bleibt wenig Zeit für Experimente. 

Hartmut Seehuber: Zu jedem Konzept muss auch die Bildsprache passen. Nur dann wird es richtig umgesetzt. Bei einem wirkt sie eher rustikal, bei einem anderen eher verspielt, dann wieder abstrakt. Beispielsweise machten wir ein Buch über die Tradition der Hohenloher Hausmetzger. So wie diese auf den Höfen schlachteten, führt es die "Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall" fort. Sie haben ihre eigenen Rezepturen oder bauen die Gewürze selbst an, was das Produkt auch einzigartig macht. Das sollte entsprechend umgesetzt werden.

FOTO HITS: In diesem Zusammenhang interessiert mich, wie eine professionell eingerichtete Studioküche aussieht. Beschreiben Sie sie bitte unseren Lesern.

Hartmut Seehuber: Der Küchenbereich ist komplett separat. Er besitzt die Maße einer großen Haushaltsküche, etwa 30 Quadratmeter. Der Platz ist nötig, da sich oft mehrere Köche und Food-Stylisten in ihm bewegen. Außerdem haben wir nicht nur einen Kühlschrank, sondern drei. Die brauchen wir auch. Bei einer Produktion zum Thema "Käse" etwa werden Mengen angeliefert, die keine normale Haushaltsküche fasst. Und auch wenn die Food-Stylisten eigene Werkzeuge wie etwa Messer oder Spezialbesteck wie Pinsel und Pipetten mitbringen, braucht man einen großen Satz an Haushaltsgeräten. 

Ich kann allerdings nur schmunzeln, wenn ich Dokumentationen sehe, die zeigen, wie mit Lebensmittelfarben und Lacken gearbeitet wird. Bei uns ist im Wesentlichen alles echt. Wenn ein Koch etwa eigene Rezepte in einem Buch vorstellt, ist das in der Regel authentisch. Er gart unter Umständen bis zu drei Fleischstücke, sucht das Schönste heraus und garniert es. Food-Stylisten kommen in der Regel aus der Gastronomie oder sind Ernährungswissenschaftler, die ihr Berufsethos besitzen und künstliche Hilfsmittel ablehnen. Die Bilder müssen schmecken, wie ich gerne sage. Wir gehen höchsten mit dem Pinsel und Wasser einmal darüber, damit alles frisch aussieht. Bei Lebensmittelverpackungen ist die Lage natürlich anders. 

FOTO HITS: Steht wie in einem Fotostudio die gesamte Ausrüstung in der Küche, also Stative und Leuchten?

Hartmut Seehuber: Zu jedem Projekt kreiere ich eine eigene Lichtsituation. Der Ablauf ist dann wie folgt: Der Food-Stylist präpariert in der Küche ein Gericht. In der Zwischenzeit bauen wir das Set auf. Wir bereiten den Untergrund vor, etwa ein Tischtuch, und setzen das Licht. Dazu benutzen wir einen so genannten Einsteller, was im Falle eins Bratens etwas ist, das nachvollziehbar macht, wie sich die Oberfläche im Licht verhält. Dann kommt der Food-Stylist mit dem vorläufigen Ergebnis um die Ecke, es fehlt nur etwa die Sauce. Oft erfolgt dieses Finish dann in Zusammenarbeit mit dem Kunden.

FOTO HITS: Um sich so genau der Spiegelung von Braten zu widmen, muss man das Kochen wirklich mögen.

Hartmut Seehuber: Wie gesagt: Die Bilder müssen schmecken. Richtet man etwa einen Autoscheinwerfer auf das Fleisch, spiegelt es stark und wirkt nicht mehr appetitlich. Damit es lecker 'rüberkommt, muss man bei Lichtsetzung schon sorgfältiger sein.

FOTO HITS: Bei "Was vom Tage übrigblieb" erkennt man Anleihen an barocke Stillleben. Haben Sie diese etwa in Bildbänden oder Museen studiert studiert, bevor Sie loslegten?

Hartmut Seehuber: Es ist nie ein Fehler, Ausstellungen zu besuchen. Das beschränkt sich nicht auf alte Meister, sondern auch ihr modernes Gegenstück. Diese Werke sind oft sehr reduziert, aber dafür auf den Punkt gebracht. Gelegentlich sehe ich auch einen alten Schulfreund, der in München Malerei studiert hat, der sehr geradlinig arbeitet. Damit ist er ebenfalls das krasse Gegenstück zu den oft üppigen Barockmalern. In diesem Spannungsfeld bewege ich mich. 

FOTO HITS: Angefangen mit Henri Cartier-Bresson haben ja viele Fotografen selbst gemalt, bis sie merkten, dass sie noch besser in der Fotografie sind. Doch ihre Erfahrungen haben sie mit in die Fotografie herübergenommen. Ging es Ihnen auch so?

Hartmut Seehuber: Bei mir war es etwas anders. Erst im zweiten Semester an der Fachhochschule Würzburg hatte ich den ersten Kontakt zur Fotografie, die mich sehr faszinierte. Je mehr ich mich darin vertiefte, desto häufiger legte ich den Bleistift weg. Später lernte ich meinen ersten Chef kennen, den Mode- und People-Fotografen Fridhelm Volk. Er nahm mich als Assistent in sein Studio und ich bekam erste Kontakte zur Werbeindustrie. Später kam ich zu Manfred Rieker, wo ich die Lichtsetzung in Perfektion lernte.

Heute entsteht ja viel am Computer oder man setzt ein Bild wie mit Bausteinen aus mehreren Komponenten zusammen. Ebenso kann man mit "Adobe Photoshop" einen Aufheller, der im Motiv steht, einfach wieder wegstempeln. Stattdessen habe ich sauberes handwerkliches Arbeiten gelernt und mir oft den Kopf zerbrochen, wie ich eine Vorstellung so umsetze, ohne dass besagter Aufheller sichtbar wird. Schließlich gab es früher nicht diese umfangreichen Retuschemöglichkeiten.

FOTO HITS: Das könnte man eher als Fortschritt werten …

Hartmut Seehuber: In der Automobilfotografie entsteht ein Bild aus vielen einzelnen Fotos und diese Bausteine werden in der Post-Production zusammengesetzt. In der Summe sehen sich die Ergebnisse häufig sehr ähnlich. Außerdem hat gerade in der Autofotografie CGI einen hohen Stellenwert.

Hinzu kommt, dass die Kunden immer mehr den Mut verlieren, etwas Neues auszuprobieren. In der Konkurrenz zu anderen Unternehmen wird nur noch geschaut, wie man die Umsätze steigern kann. Dadurch fallen viele gute Ideen unter den Tisch. Als ich damals etwa die Landschaften aus Backwaren gestaltete, legte ich dem Zuständigen nur eine Zeichnung vor. Er war dann freudig überrascht, als er die Fotos sah. Hier sind manche in einem geistigen Schema gefangen - sie sehen überall dasselbe und schauen nicht über den Tellerrand, was noch möglich ist. Das aufzuzeigen, ist ebenfalls Aufgabe eines guten Fotografen.

Hartmut Seehuber

Hartmut Seehuber

Der Fotograf mit eigenem Studio hat sich seit 1991 auf die Bereiche „Stilllife“ und „Food“ spezialisiert. Die lange Liste seiner Klienten reicht von AEG bis zum Berliner Magazin „Zitty“. Außerdem produzierte er mehrfach preisgekrönte Fotokalender.

www.seehuber-fotografie.de