Praxis

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Maik Przybylski: Mutanten

Auf mittelalterlichen Landkarten markierte ein Satz die unerforschten Gebiete: „Hier gibt es Monster.“ FOTO HITS erkundet mit Maik Przybylski eine Pixelwelt, in der seltsame Kreaturen umherschweifen. Dabei lüftet er das Geheimnis ihrer Herkunft.

Im Schauerroman „Die Insel des Doktor Moreau“ zerstückelt ein wahnsinniger Wissenschaftler unterschiedliche Tierarten und sogar Menschen, um sie neu zusammenzusetzen. Diese Chimären erwachen im „Haus der Schmerzen“ zu neuem Leben. Wesentlich gesitteter geht es am Arbeitsplatz von Maik Przybylski zu, denn für seine Montage mussten garantiert keine Tiere leiden.

Przybylski arbeitet für die Albert Bauer Companies in Hamburg. Die Firma ist darauf spezialisiert, Ideen für verschiedene Medien umzusetzen, etwa in der Print-, Verpackungs-, Online- und Bildproduktion. In der Abteilung „Albert Bauer Studios“ kümmern sich Przybylski und seine Kollegen um die Post Production, also etwa um Fotografien und Bilder, die mithilfe von 3D-Programmen entstehen. Der Profi erläutert unseren Lesern, wie sich seine Mischwesen entwickelt haben.

Die Montagen entstanden ursprünglich für den Motorenhersteller MTU. Sie sollten veranschaulichen, dass die Firma für jedes Gefährt einen eigenen Antrieb entwickeln kann. Die Agentur Jung von Matt hatte die zündende Idee mit den Chimären: Beispielsweise steht die Mischung aus Gürteltier und Leopard für den militärischen Bereich. 

Werkzeuge

Ähnlich wie in der Fotografie gibt es auch in der Computerbearbeitung ein verbreitetes Missverständnis: dass gute Ergebnisse eine üppige Ausrüstung erfordern. Tatsächlich genügt theoretisch ein kostenloses Bildbearbeitungsprogramm wie Gimp (www.gimp.org). Allerdings erleichtern einige Hilfsmittel die Arbeit.

Damit man beispielsweise nicht farbenblind operieren muss, sollte der Monitor eine zuverlässige Wiedergabe garantieren. Aus diesem Grund steht auf Przybylskis Schreibtisch ein profilierter Monitor. Weiter sorgt eine Normlichtabstimmeinheit dafür, dass der gesamte Arbeitsplatz eine gleichbleibende Beleuchtung erhält.

Für jeden Pixelkünstler unverzichtbar ist ein Grafiktablett, das in diesem Fall aus dem Hause Wacom kommt. Dank ihm muss er nicht mit der Maus hantieren, die viel zu grobschlächtig ansetzt. Stattdessen kann er mit einem Stift intuitiv malen oder radieren. Ansonsten kommt ein unter Grafikern nach wie vor beliebter Apple-Computer zum Einsatz, ein Mac Pro mit sechs Gigabyte Arbeitsspeicher.

Hintergründig

Jedes Bildelement kommt in eine eigene Ebene. So kann man es einzeln bearbeiten, ohne die übrige Montage in Mitleidenschaft zu ziehen. Als ersten und untersten Eintrag in der Ebenenpalette legte Przybylski den Hintergrund an.

Die untere Farbschicht der Montage ist sehr schlicht gehalten, damit sie nicht vom Hauptmotiv ablenkt. Sie besteht aus zwei Farbverläufen, die sich spielend einfach mit dem Verlaufswerkzeug aufziehen lassen. Eine entsprechende Funktion stellt fast jedes Bildbearbeitungsprogramm bereit. 

Zuerst bestimmte Przybylski in der Werkzeugpalette von Photoshop die Vorder- und Hintergrundfarbe. Mit einem Klick auf eines der zwei kleinen Quadrate ließ sich die gewünschte Start- und Endfarbe des Verlaufs festlegen. Der obere geht von Weiß zu Hellgrau, der untere etwas schräg von Hellgrau zu Weiß.

Ein Tipp: Um die beiden Farbverläufe einzugrenzen, kann man eine rechteckige Auswahl benutzen. Zuerst wird beispielsweise das Gebiet in den oberen zwei Dritteln markiert und der Farbverlauf aufgetragen. Dann geschieht dasselbe mit dem unteren Drittel.

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Der Hintergrund der Montage besteht aus zwei Farbverläufen. Sie sind unauffällig, doch lenkt die Aufhellung das Auge dezent zum Haupmotiv hin.

Befreite Tiere

Przybylski musste die Tiere zuerst von ihrem Hintergrund lösen. Generell sollte man dafür das Radiergummi-Werkzeug meiden, da es Details unwiederbringlich löscht. Stattdessen empfiehlt der Profi eine Ebenenmaske. In Photoshop steht dafür der Befehl „Ebene – Ebenenmaske hinzufügen“ bereit, in Gimp „Ebene – Maske – Ebenenmaske hinzufügen“.

In diesem besonderen Modus sind Schwarz und Weiß keine Farben, sondern wirken sich ganz anders aus, wenn man sie mit dem Pinselwerkzeug aufträgt: Mit Schwarz lassen sich Bestandteile unsichtbar machen, Weiß bringt sie wieder zum Vorschein. Mit Grau kann man ein Montageelement halbtransparent machen.

Nachdem die beiden Tiere freigestellt waren, gelangten sie in ein Bild. Dafür wählte Przybylski einfach „Bearbeiten – Alles auswählen“, „Bearbeiten – Kopieren“, wechselte dann zum zweiten Bildfenster und brachte alles mit „Bearbeiten – Einfügen“ zusammen. Jedes Tier gelangte automatisch in eine eigene Ebene, die sich gesondert bearbeiten ließ.

Besonders nützlich war eine Ebenenmaske, als beim „Gürtelpard“ der obere und untere Teil zusammenkamen. Przybylski konnte mit ihrer Hilfe schnell verschiedene Varianten ausprobieren, falls der Übergang nicht stimmig erschien.

Ein Problem erforderte zusätzliches handwerkliches Geschick: Gerade wenn Fell mit glatten Oberflächen zusammentraf, wirkte der Grenzbereich gelegentlich matschig. Ursache hierfür war, dass selbst eine kleine Werkzeugspitze die Haare zu gleichmäßig wegschmolz, was etwa  bei dem Hirsch-Fisch-Mutanten auffiel. Ebenso wurden die Haare an den Leopardenbeinen zwangsläufig zu glatt abgeschnitten, da niemand jedes einzelne freistellen kann. Da das Motiv auch in Plakatgröße gedruckt werden sollte, wären solche glattrasierten Raubtierbeine aufgefallen. Daher musste Przybylski solche Details nachträglich mit dem Pinselwerkzeug malen.

Wachstum kontrollieren

Der Teufel steckt immer im Detail. Er macht den Unterschied zwischen plumpem Flickwerk und dem Wow-Effekt aus.

Als ersten Schritt musste Przybylski die Maße der Einzelteile anpassen (Photoshop: „Bearbeiten – Transformieren – Skalieren“; Gimp: Skalieren-Schaltfläche in der Werkzeugpalette). Es kann ein Objekt wie etwa den Leoparden nur als Ganzes schrumpfen oder vergrößern. Höchstens der „Verflüssigen“-Filter in Photoshop verlängert Körperteile, ohne dass man sie abtrennen, skalieren und mühsam wieder am Körper anbringen muss. Die Funktion kommt allerdings schnell an ihre Grenzen.

Im Fall des Gürtelparden war es glücklicherweise nur erforderlich, den ursprünglich hochstehenden Schwanz abzutrennen und abwärts zeigen zu lassen (Photoshop: „Bearbeiten – Transformieren – Drehen; Gimp: Drehen-Schaltfläche in der Werkzeugleiste). So wies er korrekt nach unten, anstatt den Panzer zu durchstoßen.

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Ein Gürteltier sollte als Deckel dem Leoparden übergestülpt werden. Wie man sieht, mussten Größe, Farbe und Drehwinkel noch angepasst werden.
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Wichtig ist, dass das Ausgangsmaterial perspektivisch möglichst übereinstimmt. Hier störte später nur der hochstehende Schwanz.

Farbliche Symbiose

Die Evolution kann man nicht betrügen. Beide Tiere entwickelten sich eigenständig und passten ihre Farbgebung keineswegs freiwillig einander an. Daher musste Przybylski der Natur nachhelfen, damit sich ein stimmiges Gesamtbild ergab. Hier entschied vorrangig das Augenmaß, bei speziellen Tönen prüfte er auch manchmal die Farbwerte etwa mithilfe des Pipetten-Werkzeugs.

Przybylski bevorzugte bei der Farbanpasssung die Gradationskurve. Bei allen Bildbearbeitungsprogrammen, die dieses Werkzeug bieten, lassen sich mit ihm sowohl Farben als auch Kontraste verändern. Um beispielsweise die Helligkeit zu ändern, wählt man aus der Klappliste die voreingestellte Option „Wert“. Darüber hinaus lassen sich die drei Grundfarben für Rot, Grün und Blau gesondert abschwächen oder verstärken.

Zuerst intensivierte Przybylski die Kontraste, um einen plakativen Look zu entwickeln. Danach passte er die Farben einander an, um das neue Geschöpf wie aus einem Guss erscheinen zu lassen. Schwierig wird es, wenn der Bildbearbeiter auch die Umweltfarbe berücksichtigen muss. Wenn dies nicht ausreichend geschieht, droht ein Objekt als Scherenschnitt zu enden.

Schatten werfen

Noch schwebte das Fabelwesen über dem Boden. Erst ein Schatten verband es mit ihm. Ihn aufzumalen, war einfach: Przybylski pinselte sie mit schwarzer Farbe in eine eigene Ebene, der Weichzeichner verflüssigte sie und und der Regler für die Ebenendeckkraft schwächte sie nach Bedarf ab. Viel schwieriger war aber, ihnen eine realistische Form zu geben.

Um den Schattenwurf überzeugend zu gestalten, wurde das Programm „Maya“ eingesetzt. Damit erstellte das 3D-Team der Studios ein grobes 3D-Modell des Objektes, um die Beleuchtungssituation zu simulieren. So konnte Przybylski sicherstellen, dass der Schatten tatsächlich realistisch war. Was aber wichtiger als jede Software ist, erklärt er im folgenden Interview.

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Ebenenmasken machten einige Körperteile unsichtbar. Dann wurden Ober- und Unterseite vereint.
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Die beiden Teile mussten insbesondere in der Farbgebung aufeinander abgestimmt werden.
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Die Schatten malte Przybylski per Hand ein. Sie verankerten den Gürtelpard fest auf dem Boden.

Das fertige Bild

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Interview

FOTOHITS: Wie wird man ein erfolgreicher Profi-Bildbearbeiter?

Maik Przybylski: Es gibt den Ausbildungsberuf Mediengestalter, in dem man die Grundlagen erlernt. Zusätzlich sollte man sich Grundkenntnisse in 3D-Programmen aneignen. Dieser Bereich verlangt eine große Menge an Erfahrung und Praxis. Ihn nur als Beruf zu sehen, reicht nicht aus. Es muss auch das Hobby sein.

FOTOHITS: Was hat Sie neben der eigentlichen Ausbildung weitergebracht?

Maik Przybylski: Bewusstes Sehen ist das Wichtigste. Wie wirken sich Reflexionen auf unterschiedlichen Materialien aus? Wie fallen Schatten? Beim normalen Hinsehen machen wir uns kaum Gedanken um solche Dinge. Sie sind selbstverständlich und werden gewöhnlich nicht untersucht. Aber bei einer Bildretusche ist wichtig, was einen realistischen Eindruck erzeugt. Andersherum beantworten sie Fragen, warum ein Element falsch wirkt.

Da hilft nur eine breite Wissensbasis und Praxis, um den Fehler schnell auszumachen. Besonders Bildelemente, die unterschiedliche Brennweiten, Perspektiven oder Lichtsituationen aufweisen, stellen selbst Profis immer wieder vor Herausforderungen.

FOTOHITS: Reduziert sich die Fotografie in der Werbung nicht darauf, nur als Materiallieferant zu dienen?

Maik Przybylski: Nein, die Agentur hat die Idee, der Fotograf setzt sie um und arbeitet damit maßgeblich an ihrer Visualisierung mit. Aufnahmeort, Lichtsituation und Bildsprache prägen ja erheblich das spätere Ergebnis. Auch wenn die Bilder in Bildagenturen gekauft werden, ist der vom Fotograf gestaltete Look und das von ihm geschaffene Bild ein unverkennbarer Teil des kreativen Prozesses.

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Känguruh und Nashorn sollen eine besondere Sparte bei MTU versinnbildlichen: die Triebwagen. Dazu gehören Eisenbahnfahrzeuge, die beispielsweise im Güterverkehr eingesetzt werden.
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Wofür das wollige Pferd dient, ist leicht zu erkennen: Es steht für alle Motorfahrzeuge im landwirtschaftlichen Bereich.

FOTOHITS: Wann wird die Fotografie aus der Werbung verschwinden? Sobald die Computer-generierten Bilder fotorealistisch wirken?

Maik Przybylski: Gar nicht. Tatsächlich liefert die Rendertechnik schon jetzt fotorealistische Ergebnisse. Doch auch wenn alles machbar ist, ist das Foto oftmals kostengünstiger und schneller zu realisieren. Die Bilderzeugung per Computer (CGI) ist nur ein weiteres Werkzeug. Es gibt also kein Entweder-Oder. CGI-Objekte sind auf Fotos angewiesen, andersherum wird ein Foto selbst oft zum CGI-Objekt. Ein kleines Beispiel: Werbekampagnen für tragbare Computer wie das iPad bieten sich für animierte Bildanzeigen an, die aus normalen Fotos erstellt werden. Ihre Bildelemente lassen sich schnell ausschneiden und bewegen, womit man verblüffende Effekte ereicht.

Ein Beispiel dafür ist „Hammerbrook Monsterball“ auf unserer Website www.albertbauer-studios.com im Bereich Motion Graphics. Die ganze Kamerafahrt ist aus nur zwei Aufnahmen der Straße erstellt worden. Diese sind im virtuellen Setup auf Pappen aufgezogen und abgefilmt worden. Ein Foto kann – richtig eingesetzt – unglaublich kosteneffizient sein und trotzdem beeindruckende Ergebnisse erzielen.

FOTOHITS: Fotografieren Sie selbst?

Maik Przybylski: Natürlich. Ich fotografiere mir auch oft Material für meine Arbeiten dazu. Außerdem gestalte ich aus Fotos, Render- und Bildbearbeitungsprogrammen eigene  Projekte, die auf meiner Website www.maik-photoart.com zu sehen sind.

FOTOHITS: Wie bearbeiten Sie private Fotos weiter?

Maik Przybylski: Wie im Job, nur nicht ganz so detailversessen. Ein bisschen Farbe und Kontrast reichen mir.

FOTOHITS: Welche Bilder erscheinen Ihnen vollkommener? Digital erzeugte oder real abfotografierte?

Maik Przybylski: Ein fotografiertes Bild ist immer überzeugend. Ein schlechtes Composing dagegen nicht.

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Ein weiteres Fabelwesen aus dem MTU-Projekt ist der Fischhirsch. Er weist auf die Produktsparte „Schiffsmotoren“ hin.