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Alte Objektive an neuen Kameras

Was Klassiker heute noch leisten

Objektive aus analogen Zeiten gehören auch im Zeitalter digitaler Spiegelreflexmodelle noch lange nicht zum alten Eisen. FOTO HITS zeigt auf, was mit einigen Antiquitäten noch möglich ist und worauf beim Erwerb zu achten ist.

Nikon 50mm f/1,2 Nikkor
Mit Blende f2 und 1/3.200 Sekunde wurde unser Model vor dem Hintergrund freigestellt. Bei dem Testfoto kam das Nikon 50mm f/1,2 Nikkor zum Einsatz. Leicht abgeblendet ist es erstaunlich scharf, wie das Testbild verrät, wenn man es per Mausklick öffnet.

Unbestreitbar ist die Entwicklung in der Objektivtechnik immer weiter vorangeschritten. Doch nur weil ein Objektiv aus der aktuellen Baureihe stammt, muss es noch lange nicht besser sein als eines, das bereits einige Jahre oder gar Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Das gilt vor allem, wen ein Objektivklassiker in einem guten Zustand ist und zudem Vorzüge wie eine hohe Lichtstärke besitzt. Aber lässt es sich an digitalen Kameras nutzen?

Kurz: Es geht, wenn auch mit Abstrichen. Die Objektive passen entweder direkt oder mithilfe eines Adapters an das moderne Bajonett. Am Ende dieses Artikels werden einige betagten Optiken anhand von Testfotos und dazu passender vergrößerter Bildausschnitte begutachtet und bewertet.

Plug and Play?

Fast alle aus der Analogzeit stammenden Objektive – Ausnahmen bestätigen die Regel – lassen sich an modernen digitalen Spiegelreflexkameras betreiben, wobei die einen besser und andere schlechter funktionieren. So variiert beispielsweise auch die „Plug-And-Play“-Fähigkeit, die Funktionalität oder die Abbildungsleistung von Hersteller zu Hersteller. Im Regelfall funktionieren etwa TTL-Messung und Autofokus nicht, da die Werte nicht von der Kamera ans Objektiv übermittelt werden können.

Anbieter von Adaptern sind:

Die hier vorgestellten Objektive ließen sich ohne Adapter oder weitere Modifizierungen an die neue Nikon D3s ansetzen, während etwa bei älteren Canon-Optiken ein Adapter nötig wäre, der den Anschluss vom ehemaligen FD- an das EF-Bajonett ermöglicht. Für dieses Experiment standen folgende – etwa zwischen 1975 und 1995 gebauten – Objektive zur Verfügung:

  • Nikon 50mm f/1,2 Nikkor
  • Nikon AF Nikkor 50mm 1:1,4D
  • Micro-Nikkor 55mm f/3,5
  • Nikon Nikkor 105mm f/1,8
  • Tokina 200mm 1:3,5
  • Sigma 600mm 1:8 Spiegelteleobjektiv

Voraussetzungen

Das Arbeiten mit manuell zu bedienenden, aber lichtstarken Optiken wird durch die entsprechende Kamera erleichtert.

  • Bei Benutzung des Suchers spielt dessen Größe und Helligkeit eine wesentliche Rolle, da sich so der Schärfepunkt genauer platzieren lässt. Die Vollformatkamera Nikon D3s bietet einen entsprechenden Sucher.
  • Besitzt man eine Kamera mit APS-C-großem Sensor – an der sich die Optiken ebenfalls betreiben lassen – fällt der Sucher meist deutlich kleiner aus, was das Fokussieren erschwert.
  • Spiegelreflexkameras lassen sich daher zur Verbesserung des manuellen Fokussierens mit einer so genannten Schnittbildmattscheibe nachrüsten, die bei analogen Kameras Standard war. Erhältlich sind die Mattscheiben beispielsweise unter www.focusingscreen.com. Wer die Versandkosten scheut: auch bei Amazon wird man fündig.
  • Wem das zu viel Aufwand ist, für den schafft die mittlerweile fast in allen DSLRs integrierte „Live-View“-Funktion Abhilfe, mit der sich das Sucherbild auf dem Display darstellen lässt. Über die Zoomfunktion kann sogar ein beliebiger Ausschnitt so weit vergrößert werden, dass die Scharfstellung mühelos von der Hand geht. Hier gilt, je besser das Kameradisplay auflöst, desto angenehmer. 

Bevor man sich nun einen Pool aus lichtstarken, aber manuellen Optiken zulegt, sollte im Vorfeld getestet werden, ob das Scharfstellen von Hand leicht vonstatten geht. Wie man etwa dem Absatz vorher entnehmen kann, sind scharfe Aufnahmen mehr oder weniger zeitaufwendig und Schnappschüsse mit dem Risiko der Fehlfokussierung verbunden. 

Gebrauchtmarkt

Lichtstarke Objektive sind gefragt wie eh und je. Da macht es keinen großen Unterschied, ob es sich um eine – nach heutigen Maßstäben – veraltete Optik handelt. Beim Erwerb dieser Linsen gilt es, die schwarzen Schafe auszusortieren.

  • Es ist auf Schimmel- oder Pilzbefall,
  • schwergängige Mechaniken
  • oder Beschädigungen der Gläser zu achten.

Geht man das Risiko eines – im Fall solcher Antiquitäten zwingenden – Gebrauchtkaufs ein, finden sich viele Möglichkeiten zur Objektivsuche, etwa auf bekannten großen Auktions-Plattformen, auf Internet- oder auch örtlichen Fotobörsen.

Im Internet wechselt beispielsweise ein Nikon AF Nikkor 50mm 1:1,4D noch für gut 200 Euro den Besitzer. Natürlich sind 200 Euro für eine so hohe Lichtstärke wenig im Vergleich zu den Kosten für vergleichbare Neuerwerbungen. Bei der genannten Linse gibt es zudem eine Besonderheit, die sie von den anderen hier vorgestellten Optiken abgrenzt: Das Nikon AF Nikkor 50mm 1:1,4D stellt an Kameras mit einem AF-Motor einen Autofokus sicher, mit dem die Optik für schnelle Schnappschüsse geeignet ist. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Scharfstellung sehr schnell abläuft.

Viel Brennweite für noch weniger Geld erhält man hingegen mit dem Sigma 600mm Spiegelteleobjektiv, das bereits für rund 100 Euro erhältlich ist.

Technische Mängel?

Ein gravierender Unterschied zwischen digitalen und analogen Spiegelreflexkameras ist das „lichtempfindliche“ Medium. Während in der analogen Fotografie auf Filmmaterial belichtet wurde, ist im Gehäuse einer DSLR ein elektronischer Sensor eingebaut, der eine ganz wesentliche Eigenschaft mit sich bringt: Aufgrund seines Aufbaus, kann er das einfallende Licht spiegeln. Deshalb sind die Linsen moderner Objektive auch an der zur Kamera gewandten Seite vergütet, um unschöne Reflexionen zu verhindern.

Analoge Optiken benötigten zur damaligen Zeit diese besondere Verarbeitung nicht, da das verwendete Filmmaterial das Licht nicht zurückwerfen konnte. Im normalen Einsatz wird dieser negative Effekt aber nur selten und in ganz speziellen Lichtsituationen spürbar werden.

Im Außeneinsatz

Die beiden sehr lichtstarken 50-Millimeter-Objektive hinterließen einen sehr guten Eindruck. Dazu tragen die einfache Handhabung sowie die begeisternden Resultate der Testfotos ihren Teil bei. 

Bei der größtmöglichen Blende (f1,2 und f1,4) sind beide Optiken schwer zu handhaben und in ihrer Abbildungsleistung insbesondere an den Bildrändern eher schwach einzustufen. Da der Schärfebereich zudem sehr gering ist, ist es – mehr oder weniger – ein kleines Glücksspiel, ob man die richtige Stelle getroffen hat oder nicht. Wie man aber an dem Porträtfoto oben sehen kann, lassen sich leicht abgeblendet (Blende f2, 1/3.2000 Sekunde) knackscharfe Bilder aufnehmen.

Für Begeisterung sorgten ebenso die zwei in die Jahre gekommenen Teleobjektive, obwohl sie nicht ganz so spontan einsetzbar sind wie die vorgestellten 50-Millimeter-Normalbrennweiten. Das 200-Millimeter-Teleobjektiv von Tokina überzeugt in punkto Schärfe, während das 600-Millimeter-Spiegelteleobjektiv durch die kompakte Bauweise und die doch noch erstaunlich hohe Bildqualität punktete. Bei den Aufnahmen empfiehlt sich aber ein Stativ als stabiler Unterbau. Für ein gebrauchtes 200-Millimeter-Objektiv (Preis mit Canon-Anschluss) müssen nur rund 40 bis 50 Euro berappt werden.

Bestehen Zweifel, ob ein älteres Objektiv an die eigene digitale Spiegelreflexkamera passt und welche Funktionen zur Verfügung stehen, helfen einschlägige Internetforen oder die Nachfrage beim Service des Kamera- oder Objektivherstellers.

Fazit

Letztendlich sind in die Jahre gekommene Objektive (sofern gepflegt) an digitalen Spiegelreflexkameras eine gute Erweiterung, auch wenn viele Fotografen auf Einbußen bei der Abbildungsleistung oder andere Mängel durch die veraltete Konstruktion hinweisen: Man hört beispielsweise immer wieder, dass alte Optiken ein zu geringes Auflösungsvermögen besitzen und so die modernen Kamerasensoren nicht optimal mit Bilddetails „beliefern“ können. Aber die zwölf Megapixel starke Vollformatkamera Nikon D3s bewies mit den hier vorgestellten Optiken sehr gute Ergebnisse. Kritiker mögen also zwar theoretisch Recht haben, die Bilder sprechen aber eine andere Sprache.

Nikon 50mm f/1,2 Nikkor
Nikon 50mm f/1,2 Nikkor: Bei Offenblende lässt sich die ansonsten ausgezeichnete Linse schwer fokussieren, da der Schärfebereich sehr klein ist. Abge­blendet ist es jedoch hervorragend.
Nikon AF Nikkor 50mm 1:1,4D
Nikon AF Nikkor 50mm 1:1,4D: Schwächen bei Offenblende gleicht die Festbrennweite abgeblendet wieder aus. Hinzu kommt der Autofokus, der sie auch für Schnappschüsse tauglich macht.
Nikon 105mm f/1,8 Nikkor
Nikon 105mm f/1,8 Nikkor: Die seltene Kombination aus 105 Millimetern und einer Lichtstärke von 1:1,8 zeigt im Test wie die Vorgänger ähnliche Schwächen bei Offenblende.
Micro-Nikkor 55mm f/3,5
Micro-Nikkor 55mm f/3,5: Mit diesem Makroobjektiv konnte der Testkoffer nicht aufgenommen werden, da sich nicht wie bei anderen Makroobjektiven auch Porträts oder ähnliches schießen lassen, sondern es wirklich nur im absoluten Nahbereich einsetzbar ist. Mit einer Lichtstärke von 1:3,5 ist es zwar nicht herausragend, aber in der Makrofotografie werden sowieso normalerweise deutlich kleinere Blenden (größere Blendenzahlen) eingesetzt.
Tokina 200mm 1:3,5
Tokina 200mm 1:3,5: Unser Testlabor ist leider nicht groß genug, um mit einer 200-Millimeter-Brennweite den am Anfang der Seite abgebildeten Koffer ganz abzubilden. Stattdessen wurden Fotos unter Praxisbedingungen geschossen, die die Möglichkeiten der Linse widerspiegeln sollen. Links sieht man das Originalbild sowie einen 100-Prozent-Ausschnitt, der verdeutlicht, was mit „analogen“ Objektiven noch alles machbar ist.
Sigma 600mm 1:8 Spiegelteleobjektiv
Sigma 600mm 1:8 Spiegelteleobjektiv: Wenn schon 200 Millimeter nicht im Labor eingesetzt werden können, klappt es mit 600 Millimetern erst recht nicht. Das Spiegelteleobjektiv von Sigma mit der fest vorgegebenen Blende f8 macht durch seine kompakte Bauweise und die doch erstaunlich guten Bildergebnisse auf sich aufmerksam. Ein preiswertes Objektiv, das durch seine Konstruktion ein echter Hingucker ist.

Weblinks

Eine Übersicht (englisch) über die Kompatibilität verschiedener Nikon-Objektiv-Serien mit DSLRs gibt es unter:

www.kenrockwell.com

Die Auflistung auf Rockwells Seite umfasst auch die hier gezeigten Festbrennweiten:

www.kenrockwell.com/nikon/nikkor.htm

Ein FOTO HITS-Artikel zeigt, wie man neue Objektive an neue Kameras anschließt, dies aber herstellerübergreifend.

www.fotohits.de