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Bild

Joe Rosenthal

Iwo Jima

FOTO HITS erzählt in dieser Folge von den Dramen im Pazifikkrieg. Stellvertretend für sie steht das vorgestellte Bild. Es wurde mit einer Belichtungszeit von nur 1/400 Sekunde aufgenommen. Aber es ist auf ewig ins kollektive Gedächtnis insbesondere der USA eingebrannt.

Joe Rosenthal
Leider verpasste Joe Rosenthal sein Rendezvous mit der Geschichte. Also holte er es nach.

Amerika brauchte im Zweiten Weltkrieg Helden. Die immensen Opfer verlangten nach einer Rechtfertigung, nach einem Bild, das dem Sterben einen Sinn gab. Diese historische Aufgabe erfüllte Joe Rosenthal mit der „Flaggenhissung auf Iwo Jima“.

Um die Insel wurden die blutigsten Schlachten des Pazifikkriegs gekämpft. In ihnen starben 6.821 Amerikaner. Auf der Gegenseite wurden 20.703 Gefallene registriert, insgesamt überlebten nur 216 Japaner das Massaker.

Die Amerikaner brauchten Iwo Jima, um von dort aus die japanische Hauptinsel Honshu leichter bombardieren zu können. Die strategische Bedeutung war auch dem Feind klar, weswegen sich die Soldaten des Kaisers tief in Bunkern und Gräben verschanzten.

Die GIs bezahlten buchstäblich jeden Fußbreit eroberten Bodens mit Menschenleben. Besonders gefährlich war es, eingenommene Gebiete zu durchkämmen. Bis zuletzt mussten sie damit rechnen, aus dem Hinterhalt erwischt zu werden. Also warfen sie kurzerhand Handgranaten in die Tunnel oder bearbeiteten sie mit Flammenwerfern.

Der Sieger schreibt die Geschichte

Sergeant Louis R. Lowery
Der eigentlich historische Augenblick sah wenig heroisch aus. So wurde ein Bild zur Legende, das erst 17 Minuten später entstand. Dieses Bild stammt von Fotografen für das Magazin „Leatherneck“, von Sergeant Louis R. Lowery.

Besonders verlustreich mussten sie um einen kleinen Vulkankegel namens Suribachi ringen. Als er am 23. Februar 1945 endlich erobert wurde, hörte dies der 33-jährige Joe Rosenthal, der für Associated Press fotografierte. Er packte seine Kamera „Speed Graphic“ von Graflex ein – ein robustes Ungetüm, das den Namen „Pressekamera“ eigentlich nicht verdiente – und eilte los. Als er jedoch um 10 Uhr 37 zusammen mit vier anderen Bildberichterstattern eintraf, war die Siegesflagge bereits gehisst. Sonderlich historisch war der Augenblick ohnehin nicht, da die Schlacht um Iwo Jima noch 31 endlose Tage andauerte.

Dann wurde eine Entscheidung getroffen, die für Rosenthal aus mehreren Gründen schwerwiegende Folgen haben sollte: Eine größere Fahne sollte aufgerichtet werden. Der Fotograf beschrieb die Szene zehn Jahre später im Magazin „Collier‘s Weekly“. Eigentlich wollte er in einem Bild festhalten, wie die erste Flagge eingeholt und die zweite aufgerichtet wurde. Das erwies sich als unmöglich, also wählte er die Nummer Zwei als Hauptmotiv. Er ging etwa zehn Meter zurück, baute sich einen Hügel aus Steinen und Sandsäcken und stellte sich darauf. Für die Blende wählte er eine Schnapsschuss­einstellung zwischen f8 und f11, die Belichtungszeit betrug 1/400 Sekunde. 

Als er den Auslöser drückte, katapultierte ihn das zwar in den Olymp berühmter Fotografen. Doch klebte an ihm immer der Verdacht, dass die erneute Flaggenhissung nur gestellt sei. Das Foto war einfach zu perfekt: Die Männer waren ohne Überschneidungen gruppiert, in ausdrucksstarken Posen, so als wollten sie ihr eigenes Heldendenkmal bereits vorwegnehmen.

Einige Vorwürfe, die bereits nach 1945 laut wurden, konnten allerdings als haltlos zurückgewiesen werden. Was die Zeugen angeht: Von den elf Männern, die beide Flaggen hissten, verließen sechs im Leichensack die Insel. Einer der Männer, der Pima-Indianer Ira Hayes, endete wenig später tragisch. Er musste als Held durch die USA touren, um für Kriegsanleihen zu werben. Doch kehrte er in ein „weißes Amerika“ zurück, das ihm nicht mehr als eine Schnapsflasche als Heimat bot. In den 1950er Jahren starb er mit gerade einmal 32 Jahren in einem Indianerreservat.

Von den fünf Reportern lebt heute nur noch der 83-jährige Rosenthal. Doch wen kümmert es, ob er mogelte oder nicht? Das Bild erschuf von Anfang an seine eigene Wahrheit:

Zwei Tage nach dem Sieg auf dem Suribachi zierte die Aufnahme bereits die Titelseiten der Sonntagszeitungen. Rosenthal ehrte man mit dem Pulitzer-Preis, für das United States Marine Corps War Memorial in Arlington wurde die Szene in Bronze gegossen, ein ähnliches Denkmal steht im National Iwo Jima Memorial in Newington.

Risse im Denkmal

Die Helden waren zwar in Metall erstarrt, trotzdem konnte die Nachwelt sie nicht beständig glatt polieren – die Oberfläche bekam Risse. In sie krallten sich Kritik, Kommerz, Spottlust und Trivialkultur.

Edward Kienholz etwa schuf 1968 das „tragbare Kriegerdenkmal“. Er platzierte die Figurengruppe neben einem Hot-Dog-Stand, womit sich Propaganda und Konsum auf einer Ebene trafen. Die Rockband „Status Quo“ setzte sich für ihr Album „In The Army Now“ in die entsprechende Pose, das Magazin „Time“ kopierte einen Baum anstatt der Flagge ein, um den Kampf gegen die globale Erwärmung zu illustrieren, schwule Männer hissten in dieser Pose die Regenbogenflagge. Für manche Amerikaner gleicht dies einem Sakrileg, das das Blut der Märtyrer besudelt. Berücksichtigt man allerdings, wie Ira Hayes endete, nimmt die wirkliche Geschichte etwas von diesem Pathos weg.