Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Blumen-Stillleben

Michael Ruetz folgte Verfall und Zufall

Wer fähig ist, Blüten fotografisch zu inszenieren, kann fast alle Register bezüglich Emotionen ziehen. Nobuyoshi Araki etwa gab sie aufregend erotisch wieder, Karl Blossfeld in architektonischer Strenge. Der 1940 geborenen Berliner Fotograf Michael Ruetz stellt den poetischen Aspekt von Schönheit und Verfall heraus. „Verfall ist leben. Leben ist verfallen. Solange man verfällt, lebt man ...“, schrieb Ruetz im Vorwort zu seinem neuen Buch "Decay & Serendipity", also "Verfall und glücklicher Zufall".

Die Aufnahmen entstanden zwischen 2015 und 2021 eher beiläufig, als Ruetz im Berliner Bezirk Charlottenburg oder rund um seine spanische Finca spazieren ging. Allerdings fotografierte er die endgültigen Arrangements nicht am Wegesrand, sondern im Studio. Er komponierte seine Fundstücke meist auf schwarzem Stoff und lichtete sie unter Available Light ab. Solche reinen Blätterstillleben sind in der Geschichte der Fotografie und auch der Malerei als eigenständige Gattung bisher kaum bekannt – lediglich Charles Aubry und Adolphe Braun in den 1860er Jahren und Josef Sudek um 1932 scheinen Blätter und Laub als Einzelmotiv thematisiert zu haben.

Auf einigen Motiven von Ruetz ist der Hintergrund erkennbar, auf anderen das Foto-Stativ, auf das die Glasvase mit dem Blumen- und Blätterarrangement gestellt wurde, um es zu präsentieren. Formal erinnert dies an die Stillleben der flämischen Meister des 17. Jahrhunderts. "Auch verweisen die einzelnen Bildelemente – verwelkende Blumen, verdorrte Blätter – wie in der klassischen Stillleben-Malerei auf eine Bedeutung jenseits ihrer ästhetischen Präsenz, die sich aus dem Themenkreis des memento mori und des Vanitasgedankens speisen.“ (Simone Klein)

Über den Fotografen Michael Ruetz:

Geboren 1940 in Berlin, Studium der Sinologie, Japanologie und Publizistik in Freiburg, München und Berlin. 1976 externes Examen bei Otto Steinert und Willy Fleckhaus, Folkwangschule, Essen.

Seine journalistische Karriere begann Ruetz in den 70er Jahren als Fotograf für den Stern. Seit 1974 konzentriert er sich als freier Autor und Fotograf ausschließlich auf die Produktion von Büchern. Sein erstes Buch „Auf Goethes Spuren“ wurde ein Bestseller; des Weiteren wurde Ruetz mit dem Villa Massimo Preis, dem Otto-Steinert-Preis sowie mit dem Ordre des Arts et des Lettres ausgezeichnet.

Von 1980 bis 2007 lehrte er als ordentlicher Professor für Kommunikationsdesign an der HBK Braunschweig.

Michael Ruetz: Decay & Serendipity von, mit einem Essay von Michael Ruetz und einem kunsthistorischen Exkurs von Simone Klein

Éditions Facteur Cheval 2022, 120 Seiten, handgebunden, Hardcover, Preis: 44 Euro, erhältlich im Bücherbogen Berlin


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