Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Fotobuch: Augenzeugen der Natur

50 Jahre auf Spur

Der Bildband „Augenzeugen der Natur“ feiert 50 Jahre Gesellschaft für Naturfotografie. Das ist schön für den Verein, aber auch für den Leser, da nicht nur das eigene Revier markiert wird. Vielmehr kann sich jeder einbezogen fühlen, der technische Entwicklungen und neue Blickwinkel nachvollziehen will. Nicht zuletzt illustrieren preisgekrönte Aufnahmen, wie ständig neue Gebiete erschlossen wurden.

Beim Morgenspaziergang kann mancher einen magischen Moment erleben: Ein Feldhase lugt  aus dem Gras, und während sich beide Frühaufsteher mustern, scheint die Zeit stillzustehen. Was der Zufall schenkt, dem spüren Naturfotografen manchmal Wochen und Monate nach. Der Lohn dafür sind allerdings bleibende Augenblicke, die wie im Fall der Gesellschaft für Naturfotografie (GDT) zusätzlich mit Preisen gekrönt werden.

Neben der Jagd nach dem perfekten Bild einer Libelle, eines Adlers oder sogar Wals folgte die GDT seit ihrer Gründung  als Gesellschaft Deutscher Tierfotografen höheren Zielen, etwa der „Verbreitung wissenschaftlich einwandfreier Tierfotos“. Der Auszug aus dem ersten Tagungsprotokoll von 1971 klingt hölzern, doch der hehre Anspruch brachte höchst lebendige Triebe hervor.

Stil-Evolution
Bevor ein Ehrenkranz aus den Ranken geflochten wird: Es amüsiert bei der Lektüre, wie viele Diskussionen, die teils seit 1826 durchgekaut werden, aufkamen. Ist es statthaft, die Realität mit Blendenunschärfe zu verfälschen? Wie viel künstlerische Freiheit ist erlaubt? Warum bilden Männer samt ihrer Kameratechnik einen geschlossenen Zirkel? Sind neue Apparaturen Fluch oder Segen? Nicht zu reden von heiß diskutierten Tricks, ob man Insekten kühlen darf, um sie besser zu fotografieren.

Die Fragen greifen die Begleittexte offen und selbstkritisch auf. Auch wenn sie sich vornehmlich mit dem Vereinsleben beschäftigen, sind solche Diskussionen für jeden Fotografen aufschlussreich, da sie in jedem Forum aufgeworfen werden. Insofern geht es im Jubiläumsband nicht nur um 50 Jahre Vereinsgeschichte, sondern um mindestens 100 Jahre Aufnahmepraxis. Wer nicht selbst dabei war, kann nun zumindest mitreden.

Einen entscheidenden Unterschied zu Internet-Plattformen darf die GDT freilich für sich beanspruchen. Im Web bleiben solche Debatten oft unfruchtbar oder man zerstreitet sich, bis alle inklusive Moderator gesperrt sind. Doch fast jede Buchseite von „Augenzeugen der Natur“ beweist, dass trotz mancher Revierkämpfe sich nicht die Lautesten, sondern die Anpassungsfähigsten durchsetzten. Früher oder später erlag mancher Kritiker dem Reiz verwischter Königsseeschwalben oder eines mehrfach belichteten Pflaumenbaums.
Neuere Entwicklungen, die das Buch aufgreift, sind unter anderem das Story Telling. Statt nur ein fach- und kunstgerechtes Einzelbild aufzunehmen, erzählen ganze Bilderserien eine Geschichte. Dies erweitert die Tierfotografie hin zum Journalismus, weshalb laut Mit-Autor Bruno D’Amicis immer mehr Naturfotografen auch beim World Press Photo Award teilnehmen.

Bedauerlich ist nur, dass der Leser sämtliche Werke nur auf 30 mal 24 Zentimetern bewundern kann. In diesem schmalen Querformat sind auch keine Doppelseiten sinnvoll zu gestalten, um wenigstens ein Panorama raumgreifend zu genießen.

Technik-Revolution
Die erweiterten technischen Möglichkeiten verlockten seit Anbeginn dazu, nicht mehr nur Beobachter zu sein, sondern in das Habitat einzugreifen. Aufgrund optischer Beschränkungen entfernten manche Vogelfotografen ein Nest, um es kameragerecht zu platzieren. Heute kann man sich einen Ansitz mieten, wo hinter blickdichtem Glas spektakuläre Aufnahmen gelingen. Beide Entwicklungen wurden und werden vom GDT wenig überraschend kritisiert.

Dagegen sind die Unterwasser- und Luftaufnahmen tadellose Bereicherungen. Sie erschließen allen Naturfreunden Gefilde, die ihnen früher nur mit hohem Geld- und Bastelaufwand offenstanden. Auch da­rüber informieren zwei eigene Kapitel mit großartigen Beispielen.

Noch grenzenloser sind aktuell die Freiheiten, mittels Computer ein Motiv zu verfälschen. Insofern kann man zwar im Rückblick manche geradezu pedantische Debatte belächeln. Doch gerade die manchmal sperrige Debatte bewahrt davor, die Achtung vor der Natur dem schnellen Erfolg zu opfern. Nichtsdestotrotz kamen schließlich verblüffende Aufnahmen zustande, von denen insgesamt 209 die Buchseiten zieren. Jede einzelne von ihnen ist mehr als ein Blickfang und lässt tief in Wunderwelten eintauchen.

Augenzeugen der Natur

Der Untertitel des Buchs lautet „50 Jahre GDT. Naturfotografie im Wandel der Zeit“. In der Tat ist der Blick nicht auf das Vereinsjubiläum eingeengt, sondern auf mannigfaltige Bereiche der Naturfotografie ausgeweitet.

GDT/Werner Bollmann, Winfried Wisniewski: Augenzeugen der Natur. Tecklenborg 2021, 192 Seiten, Hardcover, ISBN: 978 3 949076 00 8, Preis: 38,50 Euro.


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