Das Paradies auf Erden

Unberührte Natur sowie Völker und Rituale, von denen man noch nie gehört hat: Der Fotograf Sebastião Salgado hat sich mit seiner Kamera in das brasilianische Amazonasgebiet begeben, um aufzuklären, aufzurütteln und alles für die Zukunft festzuhalten. Sein mehr als 500 Seiten starkes Buch „Amazônia“ gibt dem Betrachter tiefgehende Einblicke in eine verblüffend andere Welt.

Jeder weiß, die Regenwälder im Amazonasgebiet sind riesig. Auf dem Papier nehmen sie eine Fläche von immerhin rund acht Millionen Quadratkilometern ein. Greifen lassen sich diese Dimensionen jedoch nur schwer. Auch dass es in dem dicht bewachsenen Gebiet heute (nur) noch rund 370.000 Indigene gibt, die 188 Völkern angehören und rund 150 verschiedenen Sprachen sprechen, scheint nahezu unglaublich. 114 Völker wurden zudem zwar identifiziert, aber noch nicht einmal kontaktiert. Das alles erzählt und erklärt der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado (geboren am 8. Februar 1944) in seinem Buch Amazônia. Sechs Jahre lang bereiste der Fotoreporter und Umweltaktivist den Regenwald rund um den Amazonas mit dem Ziel, „festzuhalten, was geblieben ist, bevor noch mehr davon für immer verschwindet“. Was er damit meint, ist klar. Die – wie er schreibt – „dunkle Seite“, die Abholzung, die Verunreinigung der Flüsse, die Brandrodung oder der Drogen- und Waffenhandel hat ihn jedoch nicht in das Gebiet verschlagen, stattdessen geht es ihm um die einzigartige Welt, ihre Schönheit und die dort lebenden Menschen.

So lernt man die Völker der Asháninka, die Yawanawà oder die Kamayurá kennen und bekommt einen Einblick in deren Leben. Porträts stolzer Krieger, spielender Kinder und tanzender Frauen faszinieren Seite für Seite. Darüber hinaus erfährt der Leser unglaublich viel zu den Reisen selbst, etwa zu medizinischen Vorbereitungen zum Schutz der indigenen Völker, Hintergründe zu Ritualen wie der Selbsttötung oder dreistündigen Bädern am frühen Morgen.

Aber nicht nur die Porträts, auch die Landschaftsaufnahmen lassen den Betrachter staunend zurück. Alle Bilder sind in Schwarz-Weiß gehalten, zeigen hin und wieder eine leichte Körnung und leben von starken Kontrasten, die gelegentlich fast schon in einen Scherenschnitt übergehen. Dramatische Wolkentürme, Regengüsse und Bergketten imponieren – und alles umgeben von Wald. Die Größe lässt sich nur mit Luftaufnahmen verdeutlichen und Salgado gelingt es immer wieder, eine Relation und Tiefe zu schaffen, die die unfassbare Weite dieses Gebiets zumindest ansatzweise greifen lässt. Zu gerne würde man die Bilder auch einmal in Farbe sehen – es muss unbeschreiblich schön sein.

Amazônia ist wie eine Tür zu einer anderen, geheimnisvollen und gleichzeitig wunderschönen Welt und öffnet dem ein oder anderen auch die Augen dafür, was das Amazonasgebiet für die dort lebenden Völker und letztlich auch für uns bedeutet.

Sebastião Salgado: Amazônia

Hardcover, 35,8 × 26 cm, 4,29 kg, 

528 Seiten, ISBN 978 3 8365 8511 8, Preis: 100 Euro

Weitere Ausführungen, etwa als limitierte Collector’s und Art Edition, sind ebenfalls erhältlich.