Wahres Wesen

Für einen Besucher Venedigs dürfte es schwierig bis aussichtslos sein, das nachzuvollziehen, was der Venezianer Federico Povoleri in seinem Buch beschreibt: Die eigentliche Stadt ist unsichtbar. Paläste, Kanäle und Kirchen sind nur die Oberfläche, und selbst Einheimischen gelingt es nur  in glücklichen Momenten, einen Blick auf das „echte“ Venedig zu erhaschen. Povoleri spricht von „Zeitblasen“, die ab und an auftauchen und in denen der Vorhang für kurze Zeit beiseite gezogen wird.

Um dieses eigenartige Gefüge auszutricksen, zog der Fotograf mit seiner Kamera los und versuchte, diese seltenen Augenblicke im Bild festzuhalten. Vielleicht als Ausdruck einer heiligen Scheu verzichtete er dabei auf Farbe und beschränkte sich ausnahmslos auf Schwarz-Weiß.

Zu sehen sind keine Touristenmassen, höchstens einzelne Exemplare dieser Spezies sind auf den Bildern unterwegs. So zeigen einige der Aufnahmen Venedig im Schnee, während des Hochwassers – dem die Einheimischen mit stoischer Ruhe zu trotzen scheinen –, kurz also: zu Zeiten, in denen sich das eigentliche Wesen der Stadt viel eher zu offenbaren traut als im Sommer bei Trubel und Sonnenschein.

Mit den Motiven aus dem Buch sind auch ein Kunstkartenset (14 Euro) und ein Wandkalender für 2024 (30 Euro) erhältlich.

Federico Povoleri: Venezia. teNeues 2022, 224 Seiten, Hardcover, ISBN 978 3 96171 398 1, Preis: 50 Euro