Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Die frühen Jahre der Fotografie

Wunderwerk

Die Fotografie galt einst selbst als Weltwunder und gesellte sich früh zu einem der sieben Originale. Schon vor über hundert Jahren stand neben den Pyramiden ein Porträtstudio, das auf Touristen zugeschnitten war. Diese und weitere Histörchen erzählt ein ebenso unterhaltsamer wie lehrreicher Bildband.

Ein oft zitiertes Gesetz stammt vom Schriftsteller Arthur C. Clarke: „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“ Dementsprechend führte die Fotografie zu allerhand Hirngespinsten.

Doppelbelichtungen etwa gaben vor, die Geister Verstorbener sichtbar zu machen. Der Autor Honoré de Balzac (1799 bis 1850) wiederum fürchtete, eine Kamera würde seinen Körper schichtweise abtragen und auf Platte bannen. Man mag diese Fantasien belächeln, doch gehören sie in eine Zeit, als Mysterien tatsächlich greifbar schienen. Das aufschlussreiche Buch „Neue Wahrheit? Kleine Wunder!“ zitiert den Berliner Kunsthändler Louis Sachse, der 1839 äußerte: „Ich sage Ihnen, man könnte den Verstand verlieren, wenn man so ein von der Natur gewissermaßen selbst geschaffenes Bild sieht.“

In diese Ära versetzt das Kompendium zurück. Es beginnt mit dem aufkommenden Bilderhunger, den Guckkasten, Laterna Magica und Diorama befriedigten. Doch die Daguerreotypie schien wie durch Hexerei zu entstehen und Augenblicke unvermittelt festzuhalten. Das war zwar ein Marketingtrick: Vom Auspacken der Kamera bis zur Bildfixierung dauerte es anfangs 45 Minuten und erforderte eine handwerkliche Ausbildung. Aber trotzdem wurden im Jahr 1847 allein in Paris 2.000 Apparate und eine halbe Million Platten verkauft.

Ein Kapitel widmet sich Urlaubsfotos, das wohl erste hielt 1839 einen ägyptischen Haremspalast fest (siehe Bild unten). Zwei Franzosen stellten dem Vizekönig Muhammad Ali Pascha die Erfindung ihres Landmanns Niépce vor. Das Resultat nannte er Teufelswerk, doch dank Eisenbahn und Suezkanal wurde sein Land bald (bild)touristisch erschlossen. Frühe Impressionen sind auf den Folgeseiten zu bewundern.

DAS BUCH

Wer glaubt, bereits alles Wissenswerte über die Kindertage der Fotografie zu kennen, wird auf unterhaltsame Weise belehrt. Das beginnt mit selten gezeigten Karikaturen. Kaum war die wundersame Erscheinung ihrer Aura beraubt, schlug die spitze Zeichenfeder zurück. Weitere Fakten und Erzählungen zeigen über die technische Seite hinaus, wie unsere Ahnen die neuen Möglichkeiten erlebten.

Neue Wahrheit? Kleine Wunder! Die frühen Jahre der Fotografie. Wienand 2021, 240 Seiten, Hardcover, Englisch/Deutsch, ISBN 978 3 86832 631 4, Preis: 33 Euro


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