Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Fotobuch: The Jaguar Book

Lichtgestalt

Sir Williams Lyons, Gründer der Firma Jaguar, irrte. Er hielt das Auto am nächstem zu dem, was wir Menschen an Lebendigem erschaffen können. Tatsächlich stieg mancher Wagen aus der Schlacke direkt zu den Unsterblichen auf. Das verdankt eine Ikone wie der Jaguar E-Type nicht nur ihren 280 Pferdestärken. Auch ein Lichtkünstler wie René Staud verlieh ihr Glanz und Glorienschein. 

Die Staud Studios in Leonberg gelten als Mekka für Autohersteller. Hier werden außergewöhnliche Aufnahmen für Mercedes, BMW, Porsche, VW, Maserati, Aston-Martin und viele andere Hersteller kreiert. 

Staud begann in den 1980er-Jahren, vorrangig Automobile abzulichten. Doch die herkömmliche Studiotechnik brachte nicht die gewünschten Ergebnisse. Dass er dennoch zunehmend Erfolge feiert, beruht teilweise auf seinem Erfindergeist. Beispielsweise hing er riesige Lichtwannen an die Decke, um sämtliche Konturen einer Karosserie mit dem Lichtpinsel nachzuziehen. Davon profitiert das Urmodell SS 90 von 1935 mit seinen großzügig geschwungenen Kotflügeln ebenso wie der schnittige XJ220 von 1992. Bei ihm modellierte zusätzlich eine geraffte und handbemalte Leinwand Wellenlinien auf den Lack.

Die Grundtechnik wurde von Staud in den „MagicFlashs“ weiterentwickelt. Sie zaubern einen zarten Lichtschmelz auf das Edelmetall.. Dazu kommen Punktlichter, Reflektoren und unermessliche Fertigkeiten, jedes Detail ebenso wie das Gesamtbild makellos zu gestalten.

Trotz ausgefeilter Technik muss sich Staud ständig Problemen stellen, für die er eigene Lösungen fand. So sollten zwei Fahrzeuge – eines vorn, eines weit hinten – gleich scharfe Lichtstreifen aufweisen, das entfernte aber zudem vibrierend wirkende Unschärfen. Im vordigitalen Zeitalter gelang dies, indem er erst das eine Auto auf Film belichtete, dann eine Filmhälfte abdeckte, und schließlich das andere fotografierte. 

Natürlich arbeitet Staud mittlerweile auch mit Computer Generated Imaging, kurz CGI. Hierbei wird ein Programm mit Kon­­struktionsplänen gefüttert und generiert Hintergrunde und dazu passende Reflexionen. Doch immer wieder fehlt ihm der reale Charme des Unperfekten, der sich etwa in dem Autogewicht angepassten unrunden Reifen ausdrückt.

Der hintere Buchteil gestattet den Lesern auf zwölf Seiten einen Blick durchs Studioschlüsselloch. Als ein Detail fällt auf, dass die Assistenten meist entweder schwarze T-Shirts oder zumindest dunkle Kleidung tragen. Dies ist in den Staud-Studios Vorschrift, damit kein ungewollter Lichtreflex die Perfektion stört. Gerade so ein Detail offenbart, wie ein echter Profi schweres Gerät zu einer Lichtgestalt transzendiert.

The Jaguar Book

Die Staud-Kunstwerke machen das Gros des Buchs aus, manche Jaguare prunken auf Doppelseiten mit 56 mal 37,4 Zentimetern. Daneben sind historische Bilder und Werbeaufnahmen zu sehen. Kästen mit technischen Angaben zu den einzelnen Modellen sowie Anekdoten ergänzen die edlen Illustrationen.

René Staud, Jürgen Lewandowski: The Jaguar Book, teNeues 2021 (2. Aufl.), 272 Seiten, Hardcover, ISBN 978 3 96171 359 2, Preis: 80 Euro.


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