Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
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„Magnum Contact Sheets“

Erstkontakt

Die Kontaktabzüge von Meisterfotografen eröffnen einzigartige Einblicke: Sie erzählen von Triumph und Scheitern oder auch nur von peinlichen Arbeitsunfällen. Das Haus der Fotografie in Olten bietet die seltene Gelegenheit, solche Bilderserien aus der Agentur Magnum Photos anschauen zu können. FOTOHITS erzählt einige Anekdoten hinter legendären Aufnahmen.

Viele Meisterwerke, die aus der Agentur „Magnum Photos“ kommen, sind als Foto-Ikonen geheiligt. Das gilt umso mehr, wenn bereits die Motive diesen Status besitzen: Che Guevara etwa gilt in manchen Kreisen als Märtyrer, was das Porträt von Rene Burri beförderte (auch wenn das von Alberto Díaz Gutiérrez das bekanntere ist).

Ähnlich ehrfürchtig betrachtet man heute Klassiker wie etwa die Landung der US-Streitkräfte 1944 in der Normandie. Robert Capa schoss sie, während neben ihm Kugeln pfiffen und Granaten einschlugen. Doch der Kontaktabzug erzählt die ganze aufregende Geschichte: Capa berichtet selbst, dass er mehr oder weniger ziellos auslöste, was man der Serie deutlich ansieht. Von seinen zehn Filmrollen ruinierte das Salzwasser eine. Diese Tragödie setzte sich in der Dunkelkammer fort. Eine Assistentin verpfuschte die 106 Aufnahmen, indem sie sie zu heiß trocknete. Nur eine Rolle mit elf Fotos überlebte, wovon neun im Kontaktabzug zu sehen sind.

Ein auf andere Weise eigenartiges Kriegsmotiv entdeckte Thomas Hoepker, als 2001 die Twin Towers in New York brannten. Im Bild unten schienen einige junge Menschen entspannt zu plaudern, während dahinter verzweifelte Eingeschlossene in die Tiefe sprangen. Doch im Kontaktbogen sind zwei weitere Aufnahmen zu sehen, in denen drei der fünf Personen auf die Flammen blicken und alle deutlich unruhiger wirken.

Marc Riboud wiederum riskierte sein Leben 1953 auf dem Eiffelturm. Er fotografierte Anstreicher in schwindelnder Höhe, die völlig ungesichert über die Metallstreben balancierten. Immer wieder strauchelten sie, was den Fotografen auf der Plattform so schwindlig machte, dass er zeitweilig die Augen schloss. Als er dann noch auf den Aufsichtsucher blickte, der bauartbedingt einen Mann auf dem Kopf stehend wiedergab, war es vorbei: Riboud verlor fast das Gleichgewicht. „Das erste Foto hätte auch das letzte gewesen sein können“, bekannte er. 

Ähnlich spannend, aber weniger dramatisch sind die Hintergründe zu anderen Kunstwerken. Die verworfenen Positive legen offen, dass auch ein Meisterfotograf sich manchmal schrittweise dem besten Blickwinkel annähern muss. Allerdings gewährte ihm der chemische Film im Gegensatz zu heute keine fast endlose Bilderzahl. Gewöhnlich blieben ihm 36 Chancen, dann musste die Rolle gewechselt werden. Wie Capa schilderte, war dies auch für den Geübtesten unter Beschuss und mit nassen, klammen Fingern eine Herausforderung. 

Der Kontaktabzug als direkte Kopie einer Filmrolle entschied über Sieg oder Niederlage: Zum ersten Mal nach dem Auslösen konnte ein Fotograf entscheiden, ob er ein erfolgversprechendes Bild nach Hause gebracht hatte. Üblicherweise wurde alles Misslungene rot durchgestrichen und die wenigen Volltreffer umkringelt. Damit offenbart der Kontaktabzug einen Arbeitsprozess, bei dem am Ende neben weniger entscheidenden Momenten gelegentlich eine Foto-Legende herauskam.

Magnum Contact Sheets

Ort: IPFO Haus der Fotografie in Olten/Schweiz

Datum: 26.2. bis 22.5.2022

www.ipfo.ch

Das Buch „Magnum Contact Sheets“, Schirmer/Mosel 2011, ist nur noch antiquarisch erhältlich.


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