Technikblog

NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8

Alltagshelden

Unterschätzte Nikon-Weitwinkel

Manche Objektive verheißen großes Kino, sie bringen etwa vom Insektenmonster bis zum Grand Canyon wahre Wunder ans Licht. Weitaus leidenschaftsloser geht man an mittlere Brennweiten heran: Von ihnen erwartet jeder, dass sie brav sämtliche Blickwinkel abarbeiten, die eine normale Foto-Tour bietet. Umso beachtlicher ist, dass zwei Nikon-Objektive zwischen 17 und 75 Millimetern in der Praxis viel Unterhaltsames bereithielten.

Für neue Objektive gilt dieselbe Regel wie für Freundschaften: Erst wenn gemeinsam ein gelungener Urlaub absolviert wurde, erweist sie sich als tragfähig. Im Fall der zwei NIKKOR-Objektive mussten zwar einige Nachmittage genügen. Da aber Regenwetter dazukam, bewährten sie sich immerhin unter verschärften Bedingungen.

Eigentlich wirken die beiden Kandidaten auf den ersten Blick wie ein nettes Handwerker-Ehepaar, das aber beim ersten Zusammentreffen eher bescheiden auftritt. Übertragen auf die NIKKORE interessiert Technikfreunde eher das Z 17–28 mm 1:2,8, weil es Bildwinkel von 75 bis 104 Grad eröffnet, also ein solides Arbeitsgerät ist.

Doch wen interessieren Zahlen? Jenseits von ihnen wollen Fotografen mit einer Neuanschaffung vorrangig eine neue Spielwiese entdecken. Die ist in der geglückten Verbindung des NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8 mit dem Z 28-75 mm 1:2,8 erfreulich ausgedehnt. Einige gemeinsam verlebte Tage zeigten, dass in diesem Brennweitenbereich tatsächlich viel Spaß herausgeholt werden kann.

Mit irgendeinem Glasvorsatz will freilich niemand losziehen, auch wenn er noch so breit aufgestellt ist. Nur wenn eine Linsenkonstruktion am Ende hochwertige Aufnahmen liefert, verdient sie unsere Zuneigung. Die NIKKORE bewiesen im FOTO HITS-Testlabor, dass sie in dieser Hinsicht verlässlich sind:

Natürlich gibt es immer Luft nach oben. Die Nikon-Designer etwa reizen in der ­Linie S ihre Ingenieurskunst noch stärker aus. Bei den High-End-Produkten können sie sich einige Millimeter mehr am unteren und oberen Ende leisten, obwohl beispielsweise eine Anfangsbrennweite von zwölf Millimetern ungleich schwieriger zu designen ist – wohlgemerkt bei perfekter Leistung im gesamten Brennweitenbereich. Doch dieses Plus bezahlt man mit mehr Euro, Größe und Gewicht.

Dagegen weiß ein erfahrener Fotograf, was er an den beiden genannten Objektiven hat, nämlich einen vergleichsweise niedrigen Preis und einen leichteren Fotorucksack. Für diesen Bonus darf Nikon ruhig einige Glaselemente herausnehmen. Fazit: Mit zirka 900 und 1.400 Euro kann sich auch Otto Normalfotograf die Ergänzungen im eigenen Sortiment leisten. Das unbeschwerte Vergnügen wird dadurch eher gesteigert. 

NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8

  • Brennweite: 17-28 mm (KB; 25,5-42 mm an APS-C)
  • Lichtstärke: 1:2,8
  • Für Sensorformat: KB + APS-C
  • Bajonett: Nikon Z
  • Größe: 101 × 75 mm
  • Gewicht: 450 Gramm
  • Preis (UVP): 1.349 Euro

Internet: www.nikon.de

NIKKOR Z 28-75 mm 1:2,8

  • Brennweite: 28-75 mm (KB; 42-112,5 mm an APS-C)
  • Lichtstärke: 1:2,8
  • Für Sensorformat: KB + APS-C
  • Bajonett: Nikon Z
  • Größe: 75 × 120,5 mm
  • Gewicht: 565 Gramm
  • Preis (UVP): 1.049 Euro

Internet: www.nikon.de

Mehr Raum

NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8
Die Ansicht zeigt nur einen Ausschnitt, ein Mausklick öffnet das Gesamtbild. Die Aufnahme entstand in einem sehr schmalen Weg. Einstellungen: NIKKOR Z 17-28mm f/2.8, Blende f14, Verschlusszeit 1/15 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite Millimeter, Abstand 2,1 Meter
NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8
Der Erker rechts sah im Ultra-Weitwinkel einfach interessanter aus, was den Spaßfaktor ins Spiel brachte. Ohne das Extrem wäre er eher als architektonische Dokumentation geendet. Einstellungen: NIKKOR Z 17-28mm f/2.8, Blende f4, Verschlusszeit 1/1.600 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 19 Millimeter

Ein Weitwinkel von 17 bis 28 Millimetern macht neugierig, daher durfte es zuerst an die Nikon Z 5. Dank FX-Format eröffnet die Kombination einen Bildwinkel von stattlichen 75 bis 104 Grad. Zum Vergleich: Das menschliche Gesichtsfeld beträgt 107 Grad auf jeder Seite. Wer ein Auge abdeckt, sieht dementsprechend so viel wie das NIKKOR – doch liefert letzteres durchgängig schärfere Bilder.  

Zu den typischen Motiven, an die man angesichts einer solchen Linsenkonstruktion denkt, gehören ausladende Gebäude und Landschaften. Bedauerlicherweise erschien aufgrund des grauen Himmels das romantische Heidelberg reichlich trist. Abgesehen davon waren zahlreiche Motive abgegrast, Schloss und Kornmarkt etwa sind unseren Lesern bereits sattsam bekannt. Allerdings fand der Redakteur auch auf vertrautem Terrain noch Überraschendes, da ihm die Optik entgegenkam. 

Gemäß der Regel „Farbe funktioniert immer“ ergab ein Hauseingang eine bunt geschmückte Abwechslung. Er befand sich in einer engen Gasse, die einen Vorteil von 18 Millimetern Brennweite aufzeigt: Eine mittelalterliche Tür kam trotz einer Distanz von lediglich zwei Metern formatfüllend aufs Bild. Zu erwähnen ist, dass das Motiv aus der Hand mit einer Verschlusszeit von 1/15 Sekunde geschossen wurde. Der Bildstabilisator leistete also ganze Arbeit, um trotz der schlechten Witterung scharfe Bilder herauszuholen. Als kurz der Wolkenhimmel aufriss, konnte außerdem ein Schuss ins Blaue gewagt werden. Das Türmchen im Beispiel unten ergab mit 19 Millimetern Brennweite und steilem Blickwinkel einen passablen Hingucker. 

Schon nach den ersten Metern auf der Straße bemerkte der Flaneur, dass er etwas beschwingter als mit einem typischen High-End-Brocken spazierte. Die insgesamt 1.138 Gramm von Kamera plus Objektiv dürften auch Untrainierte lange herumtragen können.

Zudem liegt das mit 101 Millimetern Länge kompakte Weitwinkel schön ausbalanciert in den Fingern. Das ist angenehm, wenn man ein Motiv anvisiert. Wichtiger für alle Menschen ohne Pianistenhände ist, dass sie einhändig an die Einstellringe für Fokus und Brennweite gelangen. Dies entspannt etwa einen Street-Fotografen, der sein Arbeitsgerät durchweg in der Hand halten will. Wenige Zentimeter mehr, und er müsste die Kamera rechts packen und sich links nach vorn hangeln. 

Die angenehme Haltung bestätigt sich auch bei Änderungen von Fokus und Brennweite. Aufgrund der Innenfokussierung bleibt die Auszugslänge permanent gleich, was auch für die Balance gilt. Zwar wäre der Redakteur wegen einer Gewichtsverlagerung nicht sogleich vornüber gekippt, aber ein Stativ eventuell schon. 

Da es erst tröpfelte und dann tagelang regnete, blieb die Altstadt den asiatischen Touristen überlassen. Zwar ist das NIKKOR-Objektiv gegen Staub und Wassertropfen abgedichtet, aber für den Tester gilt das bedingt. Stattdessen ergab das Grau-in-Grau eine günstige Gelegenheit, wieder einmal einen Lieblingsort aufzusuchen, das Gewächshaus im Neuenheimer Feld. Der Eintritt ist kostenlos, es herrscht drinnen bestes Wetter und irgendwas blüht immer.

Bei Aufnahmen des Glas- und Metallbaus (siehe Aufmacherbild und Beispiel unten) beglückte nicht nur das tropische Innenleben, sondern auch Fundamentaleres: die Freiheit von chromatischen Aberrationen. Trotz Gegenlicht und scharfer Kanten waren selbst in Vergrößerungen keinerlei Farbsäume erkennbar.

Maß und Mitte

Nikkor Z 17–28 mm 1:2,8
Das Vollbild begutachtet man per Mausklick auf den Bildausschnitt. Einstellungen: NIKKOR Z 17-28mm f/2.8, Blende f6,3, Verschlusszeit 1/60 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 17 Millimeter
Nikon Nikkor Z 28-75 mm 1:2,8
Das NIKKOR Z 28-75 mm 1:2,8 ist auch bestens für Nahaufnahmen geeignet. Einstellungen: Abstand 78 Zentimeter, Blende f2,8, Verschlusszeit 1/125 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 75 Millimeter
Nikon Nikkor Z 28-75 mm 1:2,8
Der Genießer schaut aufs schöne Bokeh, der Praktiker nutzt die Offenblende, um Störendes weich auszublenden.Einstellungen: Blende f2,8, Verschlusszeit 1/100 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 70 Millimeter

Das Gewächshaus besitzt bescheidene Ausmaße, daher bot sich ein Wechsel zur 28-75-Millimeter-Brennweite an. Es konkurriert eigentlich mit dem hauseigenen NIKKOR Z 24-70 mm 1:2,8 S. Allerdings gilt dies nicht preislich, da letzteres offiziell für 2.400 Euro gelistet ist. Wie zuvor erwähnt: Schon vier Millimeter kosten extra, da das Objektiv-Design ungleich aufwendiger ist. Dessen ungeachtet hat sich der Redakteur gleich mit dem preiswerten Pendant angefreundet.

Das Objektiv überraschte damit, wie nah man mit der nominellen Fokusentfernung von 17 Zentimetern an eine Blüte herankommt. Auch im Nahbereich greift der Autofokus sofort und zudem lautlos. Die Orchideen kümmerte eine solche Diskretion nicht, aber bei der Tierfotografie erhöht sie die Chancen auf eine gelungene Aufnahme. Filmfreunde schätzen die Kombination aus NIKKOR-Objektiv und Nikon Z 5 ebenfalls wegen der geringen Geräuschentwicklung.

In den Autofokus kann der Benutzer jederzeit manuell eingreifen, um selbst auf ein bestimmtes Detail zu fokussieren. Dass ein Extra-Hebel fehlt, um zwischen M (manuell) und AF (Autofokus) umzuschalten, vermisste der Blumenfreund in keiner Sekunde. Vielmehr ist der flüssige Wechsel hilfreich, um nach eigenem Gutdünken nachzubessern. Dagegen wäre eine Extra-Handbewegung hier überflüssig. Zusätzlich aktiviert der schmale Fokussierring im Sucher Hilfen wie das Focus Peaking und eine Lupe. Konkret hieß das: Dank der guten Handhabung betrug der technische Ausschuss exakt null Bilder.

Als weiteres Bedienelement gibt es nur noch den Brennweitenring. Mehr braucht es freilich auch nicht, um ungehemmt Motive zu entdecken. Der Bildwinkel von 32 bis 75 Grad im FX-Format verspricht zwar keine großen Abenteuer, doch nach wenigen Minuten weiß ein Fotograf, was er an ihm hat: Das kompakte Arbeitstier grenzt fast jedes Motiv ein, das gefällt. Dazu gehörten ein Seerosenteich ebenso wie die leuchtenden Früchte eines Kakaobaums oder eine einzelne Blüte. 

Wesentlich angesichts des exotischen Durcheinanders im Gewächshaus war – nicht zu vergessen – das angenehme Bokeh. Direkt hinter der Strelitzie (siehe Beispiel auf der linken Seite) etwa befanden sich Bewässerungsrohre, die in jedem Blickwinkel sichtbar blieben. Mit Blende f2,8 verschwanden sie dezent im Unschärfebereich. Eine kurze Fachsimpelei mit einem Smartphone-Fotografen bewies den Unterschied: Sein Pflanzenbild verlor sich in Kraut und Rüben, da half auch kein digitaler Weichzeichner. Man will ja nicht prahlen, aber den Vorsprung musste er neidlos einräumen …

Mehr Qualität kann ein Fotograf nur von einer Festbrennweite erwarten. Wer das Maximum etwa aus Porträts herausholen will, der wird sich in das Bokeh des NIKKOR Z 85 mm 1:1,8 S verlieben.

Vereint stark

Nikkor Z 28-75 mm 1:2,8
NIKKOR Z 28-75mm f/2.8, Blende f2,8, Verschlusszeit 1/80 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 67 Millimeter, Abstand 0,7 Meter
Nikkor Z 28-75 mm 1:2,8
NIKKOR Z 28-75mm f/2.8, Blende f2,8, Verschlusszeit 1/100 Sekunde, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 35 Millimeter, Abstand 1,19 Meter

Selbst alte Freundschaften muss man pflegen. Das gilt auch für Objektive. Nur weil sie seit Jahren zum eingespielten Team gehören, sollte niemand die mittleren Brennweiten vernachlässigen. Vielmehr liegt jeder goldrichtig, der gerade in diesem Bereich mehr als nur das mitgelieferte Kit-Objektiv einbindet.

Verblüffenderweise brachte das NIKKOR Z 28-75 mm 1:2,8 den meisten Spaß. Die Motive sprangen es förmlich an, ob es sich um eine Blüte oder einen ganzen Teich handelte. Allenfalls in der oberen Millimeterregion wünscht man sich manchmal etwas mehr Spielraum, Details etwas formatfüllender festzuhalten, noch mehr gilt dies für Porträts. Hier dürfen sich Interessierte auf das 70-180-Millimeter-Objektiv freuen, das auf Nikons Roadmap angekündigt ist. Es ist anzunehmen, dass es als dritter Teil der günstigen und lichtstarken Dreifaltigkeit ebenfalls eine Offenblende von 1:2,8 besitzt, was – wie zu sehen ist – ein attraktives Bokeh erzeugt.

Das NIKKOR Z 17–28 mm 1:2,8 kam eigentlich immer dann zum Zuge, wenn ein ungewöhnlicher Blickwinkel gefragt war. Darüber hinaus entpuppte es sich als wertvoller Begleiter in Heidelberger Gässchen, die schlecht wegzusprengen sind (wiewohl es die Franzosen 1689 versuchten).

Egal, welches Objektiv vor der Kamera saß: Der Autofokus erwies sich als zupackend, erlaubte aber willig manuelles Eingreifen. Nicht zuletzt ihm war es zu verdanken, dass trotz Schmuddelwetter schöne Erinnerungen herauskamen, was eine glänzende Basis für jede Freundschaft ist.