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Tore zur Welt

Bahnhöfe auf Film gebannt

Christian Höhn beschäftigt sich in seinen Arbeiten immer wieder mit Orten und Plätzen, zuletzt mit dem Phänomen „Megacity“. Darüber hinaus realisiert er Auftragsarbeiten und Werbekampagnen in verschiedenen Bereichen.

FOTO HITS: Was steht in hinter der Idee, Bahnhöfe abzulichten?

Christian Höhn: Für mich sind Bahnhöfe Orte der Begegnung, des Abschieds, magische Orte der Poesie, Tore zur Welt und Motoren des Industriezeitalters. Die Literatur greift den Bahnhof als Topos auf, idealisiert ihn oder spiegelt seine kalte, geschäftige Realität.

Die Lage und Umgebung von Bahnhöfen prägen oft ganze Städte, sind Orte voller Menschen. Heute sind sie einerseits Schauplätze aktueller, oft spektakulärer Architektur. Andererseits sind sie verwunschene Orte im Nirgendwo, an denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Ich beschäftige mich in meinen Arbeiten immer wieder mit Orten. In diesem Fall sind es Orte mit ganz konkreten literarischen Bezügen.

FOTO HITS: Verwendeten Sie digitale Techniken wie Pseudo-HDR oder Dynamic Range increase (DRI)?

Christian Höhn: Überhaupt nicht. Wir machen die meisten Aufnahmen auf Film. Manchmal gibt es Gründe, warum wir eine digitale Hasselblad H3DII-39 einsetzen. Man hat damit etwa bessere Möglichkeiten aufgrund der höheren Lichtempfindlichkeit oder besitzt die Mittel, die kurze Belichtungszeiten bieten. Das ist bei analogen Großformatkameras anders, die muss man deutlich stärker abblenden.

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Nächtliche Aufnahme des Bahnhofs der Gornergrat-Bahn am Matterhorn
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Das südaustralische Pimba besitzt nur 50 Einwohner, trotzdem halten dort die legendären Linien „Indian Pacific“ und „The Ghan“.

FOTO HITS: Warum bauen Sie trotzdem auf analogen Film?

Christian Höhn: Weil der Film mehr Information bietet und größere Formate möglich sind. Bei starker Vergrößerung ist außerdem das Filmkorn „organischer“ als ein Sensor. Ich verwende Filme von Kodak und Sofortbildfilme von Fujifilm, die leider inzwischen nicht mehr produziert werden.

Der Film wird nach der Aufnahme hochauflösend digitalisiert. Danach werden die Fotos am Rechner etwas in Form gebracht, etwa bezüglich der Farben und Kontraste. Es werden allerdings keine Composings gemacht, die schnell übertrieben wirken.

FOTO HITS: Norman Koren wies allerdings vor Jahren nach, dass digitale Spiegelreflexkameras einen Film an Detailschärfe übertreffen.

Christian Höhn: Wenn man mit kleineren Ausgabegrößen arbeitet, ist es kein Problem, dies digital zu erledigen. Aber die Formate, mit denen ich gewöhnlich hantiere, sind sehr groß, und da geht nichts über Film. Insbesondere, da ich oft mit extremen Lichtsituationen konfrontiert bin. In solchen Fällen ist der Kontrastumfang eines Films besser als der eines Chips.

FOTO HITS: Bezüglich Großformatkameras stimme ich zu.. Beim Test mit einem Katalogfotografen erkannten wir auf den Aufnahmen sogar die Iristruktur eines Models.

Christian Höhn: Es ist tatsächlich eine ganz andere Kategorie. Natürlich sind die Aufnahmen aufwändiger, als wenn ich sie digital erstellen würde. Das gilt insbesondere dann, wenn ich unterwegs bin und das zusätzliche Zubehör mitnehmen muss.

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Der Londoner Bahnhof St. Pancras ist unten links im Foto, rechts davon liegt der berühmte King’s Cross.
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Die NY Grand Central Terminal in New York war Schauplatz vieler Geschichten. In der Ausstellung „One Station“ steht neben ihm und allen anderen Bahnhöfen jeweils ein Zitat aus einem Buch, in dem sie ein Rolle spielten.

FOTO HITS: Das führt zur Frage, wie Sie die Aufnahmestandorte fanden. Denn die mussten Sie erst einmal finden und dann die Ausrüstung hinbringen.

Christian Höhn: Die Standorte werden in einem langen Prozess ermittelt. Manchmal geschieht das im Vorfeld. Ich recherchiere von zu Hause aus oder suche mir Hilfe von lokalen Leuten, die uns etwa mit Genehmigungen oder Vorbesichtigungen unterstützen.

Wenn ich vor Ort bin, schaue ich mir alles unter Umständen ein paar Tage lang an, um zu entscheiden, was der beste Zeitpunkt oder der beste Standort ist. Die Bahnhofsbilder erforderten zwei Jahre Konzepterstellung und Vorplanung. Die Umsetzung der in der Ausstellung „One Station“ gezeigten Arbeiten hat zirka ein Jahr gedauert.

Das Problem, Zugang zu Gebäuden zu finden, ist in Deutschland schnell zu lösen. Dort bekommt man manchmal gleich die Gelegenheit, auf ein Hausdach zu gelangen. In Bombay oder New York zieht sich der Prozess oft sehr lange hin. In der letztgenannten Stadt hatten wir über Monate hinweg bezüglich eines bestimmten Hauses angefragt. Ich musste erst einmal an die Eigentümer der Gebäude herankommen, das Finanzielle war für sie meist nebensächlich. Die Genehmigung erfolgte dann über verschiedene Leute, was sehr arbeitsintensiv war.

FOTO HITS: Versuch und Irrtum fällt bei Filmmaterial flach. Vertrauen Sie auf einen Belichtungsmesser?

Christian Höhn: Ich bin Jahrgang 1968 und noch mit Film groß geworden. Daher kann ich die Belichtung ganz gut abschätzen. Aber ich habe natürlich auch Messgeräte dabei, um mich abzusichern.

FOTO HITS: Wie groß ist dabei das Zeitfenster für das richtige Licht?

Christian Höhn: Wenn ich mit Tageslicht arbeiten will, ist es größer. Nach Sonnenuntergang bleiben oft nur wenige Minuten. Dann vervielfacht sich nämlich die Belichtungszeit, wodurch der richtige Zeitpunkt ganz schnell vorbei sein kann.

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Bahnhöfe wie der im südafrikanischen Kapstadt sind nachts ein gefährliches Pflaster. Doch da die Aufnahmen oft von Hausdächern aus aufgenommen wurden, befanden sich Höhn und seine Helfer mit ihrer wertvollen Ausrüstung auf der sicheren Seite.
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Der Marunouchi-Südausgang des Bahnhofs in Tokio. Er ist der zweitwichtigste Verkehrsknoten der japanischen Hauptstadt.

FOTO HITS: In Städten wie Kapstadt in Südafrika ist es gefährlich, nachts mit teurer Ausrüstung um den Bahnhof zu spazieren. Wie haben Sie das erlebt?

Christian Höhn: Länder wie Südafrika oder Simbabwe, wo wir auch waren, sind nicht zu unterschätzen. Wir haben uns geschützt, indem wir auf unsere Sachen so gut wie möglich aufgepasst haben.

Allein die Einreise in solche Länder ist schon schwierig. Hier sind die Carnet-Dokumente für manche Leser sicher interessant. In dieser Liste wird festgehalten, was man mitführt. Das wird bei der Einreise kontrolliert, abgestempelt und das gleiche geschieht bei der Ausreise. Außerdem hinterlegt man in Deutschland ein Bürgschaft bei der Bank. Das machen wir bereits seit vielen Jahren, da diese Regelung Zeit bei der Einfuhrabfertigung spart.

In manchen exotischen Ländern, die nicht dem Carnet-Abkommen angehören, führt das dazu, dass alles unter der Hand geregelt wird. Das führt zu Komplikationen und langwierigen Verzögerungen.

FOTO HITS: Haben Sie die Aufnahmen im Auftrag von Firmen oder auf eigenes Risiko durchgeführt?

Christian Höhn: Grundsätzlich ist es so, dass ich – wie etwa „One Station“ – das Ganze als Kunstprojekt realisiere. In diesem Fall arbeitete ich auch mit dem Deutschen Bahn Museum zusammen. Ansonsten mache ich beides: Die einen Projekte setze ich völlig frei um, die anderen sind klassische Auftragsarbeiten.

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Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs zerstörten den Dresdner Bahnhof vollständig. Der erneute Aufbau war 1960 abgeschlossen,doch fand er erst in den vergangenen Jahren seine endgültige Form.
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Der Gare du Nord in Paris wurde 1864 eröffnet. Er bildete unter anderem die Kulisse für den Film „Die fabelhafte Welt der Amélie“ oder von Krimis mit Kommissar Maigret.

Christian Höhn

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Christian Höhns Aufnahmen von Bahnhöfen führten ihn durch fünf Kontinente. Die Werke waren bis 31. Mai 2015 im DB Museum Nürnberg zu bewundern.

Zur Ausstellung begleitend erschien der Bildband: One Station – Poesie der Bahnhöfe, Verlag für moderne Kunst. ISBN 978 3 86984 539 5, Preis: 19,90 Euro

www.christianhoehn.de