Interview

Shutterstock - Trends

Erfolgreich als Stockfotograf

Dr. Stefan Hartmann im Interview

Bis in die 1990er Jahre kramten noch fachkundige Zeitungsmitarbeiter in ihren Archiven, um einem Redakteur die passende Illustration zu liefern. Von dieser  analogen Steinzeit sind heutzutage Angebot, Nachfrage, Bildproduktion, Medien und Vertriebswege einige Lichtjahre entfernt.

Bis in die 1990er Jahre kramten noch fachkundige Zeitungsmitarbeiter in ihren Archiven, um einem Redakteur die passende Illustration zu liefern. Von dieser  analogen Steinzeit sind heutzutage Angebot, Nachfrage, Bildproduktion, Medien und Vertriebswege einige Lichtjahre entfernt.

FOTO HITS: Wenn Sie eine Bildagentur gründen würden – wie würde sie aus der Masse herausragen?

Dr. Stefan Hartmann: Ich bin Journalist und Beobachter des Bilder-Business, ich will gar keine Agentur haben! Aber wenn ich gründen wollte, dann nur eine ganz eng definierte Nischenagentur, bestimmt keine Universalagentur.

FOTO HITS: Halten Sie Modelle wie das des deutschen „Ostkreuz“ für zeitgemäß, bei denen die Fotografen die Bildverwertung kontrollieren?

Dr. Stefan Hartmann: Ob ich eine reine Fotografen-Agentur haben möchte oder nicht, ist eine unternehmerische Entscheidung, und nichts weiter. Das kann erfolgreich werden – oder auch nicht.

Wenn sich zu viele Fotografen-Gesellschafter mit divergierenden Interessen gegenseitig sabotieren und die Geschäftsführung das nicht ausgleichen kann, dann funktioniert es nicht. Das hat „Bilderberg“ vorexerziert. Aber die Ostkreuzler machen es seit 25 Jahren anscheinend richtig. Nur: Das sind fotografische Überzeugungstäter, die sich für ihre Art der Autorenfotografie sehr engagieren. 

FOTO HITS: Welche Infrastruktur halten Sie für zwingend notwendig, um sowohl gute Fotografen als auch Kunden an sich zu binden?

Dr. Stefan Hartmann: Infrastruktur? Nein, möglichst viele Partnerschaften! Denken wir doch mal so herum: Ein Bierbrauer will, dass sein Bier überall ausgeschenkt wird: auf jedem kleinen Dorfplatz genauso wie auf dem Oktoberfest.

Wenn ich Fotograf oder Agentur-Chef wäre, würde ich genauso denken: Ich würde nach Möglichkeit jeden Kanal beschicken, national und international. Und wenn eine Vertriebsschiene die Bilder meines letzten kreativen Höhenflugs nicht will? Wen kümmert’s? Dann wähle ich eine andere – exklusive Bindungen gibt es ja ohnehin nicht mehr.  

FOTO HITS: Die Großen der Branche wie „Getty Images“ schlucken permanent Bildagenturen. Wo sehen Sie noch Überlebenschancen für kleinere, nationale Anbieter?

Dr. Stefan Hartmann: Ja, kleine und mittelständische Agenturen haben zu kämpfen. Aber anders kenne ich diese Branche gar nicht. Und die Kleinen sind nicht alleine! Auch den Großen geht es so. In den USA etwa wird Risikokapital nicht zinslos vergeben! Bei 50 Millionen Dollar zu zwölf Prozent Zinsen kommen auch die ins Schwitzen. 

Ein Beispiel aus dem Jahr 2005 gefällig? Eine der größten und kreativsten europäischen Agenturen, die es jemals gab, war zefa visual media in Düsseldorf. Es brach dem Besitzer das Herz, als ihn seine Kapitalgeber zwangen, die Agentur gegen seinen Willen an Corbis weiterzuverkaufen. Immerhin war zefa auf dem europäischen Stockmarkt die Nummer Zwei. Will sagen: Auch groß zu sein hilft nicht immer. 

Nein, wir stehen weder am Anfang noch am Ende einer Marktbereinigung. Die Bilderbranche war immer ein sehr diversifizierter Markt – und das wird wohl auch so bleiben, auch wenn sich die Player und ihre Namen ändern. Sagen etwa jemandem die Namen Bavaria, Jupiterimages, Stockbyte oder Photonica noch etwas? Ich sehe einerseits Agenturen sterben – aber ich sehe auch einige optimistische Neugründungen.

Shutterstock-Auswertung
Gemäß „Shutterstock“-Auswertung 2017 gehören zu den visuellen Trends in Kanada „Saubere Energie“, in Deutschland „Tannenwald“ und in Australien „Skandinavisches Interieur“ (mehr für 2018 unter https://www.shutterstock.com/blog/trends/2018-creative-trends).

FOTO HITS: In Ihrem Magazin „Pictorial“ geben Sie eine Übersicht über neue und bestehende Stockfotoagenturen. Können Sie die Gründe nennen, warum manche bald wieder verschwinden?

Dr. Stefan Hartmann: Die Bilderbranche ist sehr aktiv: Laufend werden Newcomer gegründet und wieder eingestampft. Entweder fehlt der lange Atem und man hat die Schwierigkeiten unterschätzt, sich auf einem so engen Markt etablieren zu können. Denn hier in Europa ist es – im Gegensatz zu den USA etwa – sehr, sehr schwer, außenstehende Finanziers oder Risikokapital für eine Bildagentur aufzutreiben. 

Oder es fehlt schlicht das Branchen-Know-how, die Kontakte. Beliebte Kandidaten, um auf die Nase zu fallen, sind beispielsweise die „Techniker“: tolle Websites, tolle Features, der schnellste Server am Backbone. Aber sie haben keine Ahnung davon, wie man Bilder auf den Markt bringt. 

FOTO HITS: Welchen Anbieter würden Sie einem angehenden Fotografen empfehlen?

Dr. Stefan Hartmann: Das ist ganz simpel: Wenn ich voraussetze, dass angehende, junge Fotografen besondere Tipps und Hilfestellungen brauchen, dann sollten sie sich eine Agentur suchen, bei der das Art Department – also die Kunstabteilung – gut funktioniert. Sie sollten dort etwas lernen können und die Chemie muss halt stimmen. 

FOTO HITS: Zu den Microstock-Agenturen haben sich auch Gratis-Anbieter wie „Pixabay“ gesellt, die durchaus mehr als Ramsch zu bieten haben. Für wie relevant halten Sie den Einfluss dieser Gratis-Anbieter auf den Stockfotomarkt?

Dr. Stefan Hartmann: Das kann ich nicht einschätzen! Bilder werden in so vielen verschiedenen Kontexten und für so unterschiedliche Zwecke eingesetzt, dass es kaum einen gemeinsamen Nenner gibt.

In bestimmten Segmenten ist Gratismaterial natürlich weit verbreitet. Wenn ich ein selbstständiger Werbegrafiker wäre, würde ich auch keinem Kunden zumuten, für eine Fotomontage die Lizenzen für drei Rights-Managed-Bilder zu bezahlen.

Eine Faustregel wäre jedoch: Je höherwertiger der Nutzungszweck ist, desto exklusiver möchte man das Material haben. Nichtsdestotrotz liegt bei manch edler Kampagne der Preis für das Bildmaterial immer noch deutlich unter dem, was die Art Direktoren an Rotwein wegtrinken …

Shutterstock
Innerhalb von „Social Media“ beobachtete „Shutterstock“ vermehrt Motive, die Naturphänomene abbilden.
Shutterstock
Laut „Shutterstock“ haben weiße Texturen und „Emojis“ den größten Zuwachs. Bilder mit sichtbaren Rastern sollen an den Zeitungsdruck erinnern, während Head-Up-Displays („Instrumententafeln“) dem Trend zu futuristischen VR-Brillen geschuldet sind.

FOTO HITS: Der Trend geht dank Internet in Richtung „Royalty Free“, also umfassende Lizenzen, die Fotografen im Ergebnis weniger Geld bringen. Sehen Sie Chancen, dass diese sich gegen die Entwicklung stemmen können?

Dr. Stefan Hartmann: Ich würde nicht unterschreiben, dass „Royalty Free“ immer weniger Geld bringt. Es gibt im Gegenzug auch Fotografen, die verdienen damit sehr gut. Aber das sind keine Knipser oder Träumer, sondern Profis, die genau wissen, was sie tun. Sie sind in der Lage, Stockfotomaterial zu produzieren, das sich aufgrund des Themas, der Bildsprache und der fotografischen Konzeption auf mehreren internationalen Märkten gleichzeitig behaupten kann. 

FOTO HITS: Ein Problem für angehende Fotografen ist, dass sich die Bedingungen für Bildjournalisten im Vergleich zu Werbefotografen verschlechtert haben. Droht ein Ende des Bildjournalismus?

Dr. Stefan Hartmann: Ach, Herr Kollege! Interessant, dass Sie immer noch die alten Schubladen offen halten: entweder Werbung oder Journalismus. Nein, ein sehr großer Teil der jungen Fotografen macht beides, oftmals parallel noch Video. Gut ausgebildete Fotografen können das mittlerweile einfach. Es ist ja auch sinnvoll für sie, zu Beginn ihrer Karriere mehrere Standbeine zu haben.