Interview

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Fotos fühlen

Frank De Mulder über Fake und Fakten. Im Interview sagte der Fotograf, dass er sich „nur“ als Handwerker sieht. Doch als Meister seines Fachs gelingt es ihm, die Augen für wahre Schönheit zu öffnen.

© 2017 Frank De Mulder. All rights reserved.
© 2017 Frank De Mulder. All rights reserved.

FOTO HITS: Der Titel Ihres neuen Buchs lautet „Tribute“. Ist es ein Geschenk an die Frau als Herrscherin?

De Mulder: (lacht) Nein, es ist eher ein Tribut an die Fotografie selbst, auch wenn alle meine Titel eine Respektsbezeugung an Frauen sind. Hendrik teNeues rief mich vor einem Jahr an und und teilte mir mit, dass meine Bücher praktisch ausverkauft seien. Also wollte er ein Best-of machen, weil viele Leute, die die drei Vorgänger nicht kaufen konnten, frustriert seien.

Im Rückblick würde ich manche Fotos von damals anders entwickeln, etwa bezüglich des Kontrasts. Daher war es eine perfekte Gelegenheit, ihnen eine zweite Chance zu geben, als hundertprozentig gelungene Version gegenüber der ersten Fassung. Ich genieße den Luxus, das beste Buch meines Lebens herauszubringen, das außerdem 40 Prozent neue Bilder beinhaltet.

FOTO HITS: Einige Videos auf Ihrer Website zeigen sie in exotischen Paradiesen. Man könnte annehmen, Ihre Arbeit bestünde aus endlosen Ferien.

De Mulder: Als ich auf einer Insel fotografierte, sagte ein Einheimischer zu mir: „Bislang dachte ich, ihr führt ein glückliches Leben voller Luxus. Jetzt weiß ich, dass euer Job sehr hart ist.“ Schließlich lief ich bei etwa 38 Grad Celsius herum und hatte immer die Sonne im Gesicht, da ich Gegenlicht liebe. Aus diesem Grund habe ich immer Wechselklamotten bereit, wenn ich eine Garnitur durchgeschwitzt habe.

FOTO HITS: Warum fuhren Sie für Ihre Aktaufnahmen etwa nach Namibia? Schönes Licht gibt es doch überall.

De Mulder: Natürlich. Aber eine neue Location bringt auch neue Inspiration. Wenn man etwa alleine in der Wüste ist, hat das etwas Magisches. Ich schätze dort die endlose Leere, das ist faszinierend. Nicht zuletzt suche ich das gute Wetter. Heidelberg etwa mag Orte mit schönem Licht aufweisen, aber ich kann keine Außenaufnahmen planen, wenn es die meiste Zeit regnet.

Allerdings reicht mir gutes Wetter aus. Ich habe nie verstanden, warum manche von einem besonderen Licht schwärmen. Wenn die Sonne scheint, ist es überall gleich.

FOTO HITS: Ihre Talente sind an der präzisen Lichtführung oder Kleinigkeiten wie der Fingerhaltung ablesbar. Das erfordert Detailversessenheit.

De Mulder: Ich habe noch meine Frau als Kompagnon dabei. Wir sind schon seit mehr als 27 Jahren ein Team. Ich schaue eher auf den ersten Eindruck, während es für die Details vorteilhaft ist, sich auf zwei Augenpaare zu verlassen.

FOTO HITS: Fotografieren Sie Models in exakt vorgegebenen Posen?

De Mulder: Ich lernte einiges von Ellen von Unwerth. Die Fotografin arbeitete früher als Model und war sehr frustriert, dass diejenigen hinter der Kamera jede Kleinigkeit kontrollieren wollten. Es ist okay, jemanden anzuleiten, aber ein gutes Model weiß selbst, was zu tun ist, wie Ellen mir bestätigte. 

Jeder benötigt Freiraum, was man begreifen muss, um andere zu motivieren. Zuerst gebe ich das Programm vor, dann lasse ich das Model in Ruhe selbst agieren. 

FOTO HITS: Sie sagten einmal: „Jedes Foto ist von Beginn an eine Manipulation“. Wäre es nicht konsequent, ganz auf Computer-generierte Bilder zu setzen?

De Mulder: So meine ich es nicht. Es ist so: Ständig reden die Leute über Photoshop und dass Fotos ohnehin alle retuschiert seien. Tatsächlich beginnt es damit, dass man mit der Kamera auf etwas fokussiert und es damit begrenzt. Schon ein Bildrahmen ist eine Manipulation. Ich beeinflusse den Betrachter, damit er das sieht, was ich ihn sehen lassen will.

FOTO HITS: Ob Brennweite oder Bildbearbeitung – alles nur Werkzeuge?

De Mulder: Insbesondere Photoshop wurde mittlerweile fast zum Schimpfwort. Die meisten verbinden damit etwa vergrößerte Brüste. Für mich entspricht es eher der historischen Dunkelkammer. Ich sichere Bilddaten im Raw-Format, die auf den ersten Blick schlechter wirken als die fertigen Ergebnisse eines Smartphones. Dann entwickle ich die Rohdaten, wobei ich etwa die Kontraste intensiviere. 

Ich bin aber froh, dass ich noch mit Film oder Chemikalien hantierte. Bei der Entwicklung lernte ich genau kennen, was Schwarz und Weiß wirklich ausmacht. Jemand sagte jüngst über eines meiner Bilder, dass es die wahren „Shades of Grey“ zeigen würde. Die Anspielung auf den Bestseller freute mich sehr. Denn es beweist, dass jemand tatsächlich das wahrnimmt, was ich anstrebe. Letztlich fühlt ein Betrachter das auch. Er weiß vielleicht nicht, warum ein Foto besser als ein anderes ist. Aber er fühlt, dass es so ist. 

© 2017 Frank De Mulder. All rights reserved.
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Tribute

Bei aller Sinnlichkeit hält De Mulder kluge Distanz zu den Frauenakten. Das gibt ihnen den Raum so zu strahlen, dass sie fast überirdisch erscheinen.

Frank De Mulder: Tribute. teNeues 2017, 256 Seiten, Hardcover, ISBN 978 3 96171 038 6, Preis: 79,90 Euro

www.teneues.com