Interview

Joachim Schmeisser: Elefanten kreuzen den Weg, Kenia 2017

Elephants in Heaven

Dürre oder Wilderer machen immer wieder kenianische Elefantenkinder zu Waisen. Sie bekommen im "The David Sheldrick Wildlife Trust" ein neues Zuhause, danach werden sie sachkundig ausgewildert. Joachim Schmeisser porträtierte einfühlsam die sensiblen Dickhäuter. Er schilderte FOTO HITS, wie die außergewöhnlichen Aufnahmen zustande kamen.

Manches Elefantenkind muss mitansehen, wie Wilderer seine Familie erschießen wird und dann die Stoßzähne abhacken. Beobachtungen haben belegt, dass sie kaum anders als Menschen reagieren: Sie sind traumatisiert und müssen mit viel Fürsorge wieder Vertrauen lernen - wenn sie dennn überleben. In der Wildnis ist dies nur möglich, wenn sie eine andere Herde adoptiert.

Findlinge, die es keinen Anschluss finden, kommen mit viel Glück in ein Waisenhaus vor den Toren der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Dort werden sie mit einer speziellen Milchmixtur hochgepäppelt und im Alter von zirka drei Jahren schrittweise ausgewildert. Touristen dürfen ihnen für eine Stunde pro Tag zuschauen, außerdem kann jeder die Patenschaft für einen Waisen übernehmen (Details stehen unter www.sheldrickwildlifetrust.org).

Der Sohn von Joachim Schmeisser ist einer dieser Paten. Das nahm die Familie zum Anlass, bei einer Ostafrika-Tour auch den kleinen "Kibo" in seiner Heimat zu besuchen. Aus dieser Begegnung und weiteren Reisen entstand eine berührende Fotoserie, die man bis Anfang 2018 in der Galerie "IMMAGIS Fine Art Photography" bewundern konnte. Außerdem ist sie als Fotobuch erhältlich, das gleichermaßen aufgrund der Bildgestaltung und emotionalen Wucht begeistert.

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Der Fotograf sieht Elefanten als Schatz, den es zu bewahren gilt. Wenn man in die Augen der Jungtiere blickt oder die mächtigen Bullen betrachtet, spürt man, wie großartig es ist, mit ihnen den Planeten teilen zu dürfen. Zur Freunde, im Buch zu blättern, trägt nicht zuletzt die hervorragende Bildgestaltung bei.

Joachim Schmeisser: Elephants in Heaven. teNeues 2017, 176 Seiten, Hardcover, ISBN 978 3 96171 047 8, Preis: Preis: 59,90 Euro

www.teneues.de

FOTO HITS: Ihr Sohn hatte zwar eine Patenschaft für eine Elefantenwaise übernommen. Aber dies garantiert noch lange keine Privilegien für exklusive Aufnahmen. Wie schafften Sie es, diese Erlaubnis zu bekommen?

Joachim Schmeisser: Bei unsem ersten Treffen machten wir einen Zwischenstopp von nur wenigen Stunden. Als ich wegen Aufnahmen nachfragte, waren die Mitarbeiter des Trusts auch eher restriktiv. Normalerweise kann man den Elefanten eine Zeit etwa beim Schlammbad zuschauen, aber sie nicht in die Auswilderungsstationen im Busch begleiten. 

Daraufhin zeigte ich einige Bilder, die die Zuständigen überzeugten. Tatsächlich durften wir dann für eine Stunde mit in den Busch. Es war überwältigend. Zudem bildete es den Anfang einer Zusammenarbeit: Ich stellte beispielsweise Fotos zur Verfügung und sammelte Spenden im Rahmen von Auktionen.

FOTO HITS: Um es nochmals festzuhalten: Türöffner waren ihre Bilder? 

Joachim Schmeisser: Ja. Sie waren überrascht, dass Aufnahmen in dieser Qualität möglich sind.

FOTO HITS: Die Gehege in Nairobi selbst sind eher kahl. Wie konnten Sie dort trotzdem vernünftige Fotos gestalten?

Joachim Schmeisser: Dort stehen vorwiegend Holzstallungen. Auch wenn ich dort einige Bilder schoss, bekommt man kaum ikonische Fotos "von Angesicht zu Angesicht". Sie erfordern eine emotionale Verbindung, die in diesem Umfeld nur schwer herstellbar ist. 

Daher lag es nahe, in den Busch mitzugehen, um zu erfahren, wie sich die Elefanten dort verhalten. Die eine Stunde beim ersten Mal war natürlich gar nichts - ich bin heute noch froh, dass daraus so viel entstanden ist.

FOTO HITS: Angesichts der Wolken auf vielen Bildern waren Sie später häufig in den Regenzeit von März bis Mai und im Dezember/Januar dort?

Joachim Schmeisser: Das ist richtig, aber auch im Juni in der Trockenzeit. Seit 2009 waren wir schon oft dort. Damals war der kleine Kibo nicht einmal ein Jahr alt. Inzwischen wurde er ausgewildert, schloss sich einer Herde an und gründet vielleicht schon bald eine eigene Familie. 

FOTO HITS: Touristen dürfen in Nationalparks ihre Busse gewöhnlich nur auf Rastplätzen oder in Camps verlassen, aber nicht mitten in der Pampa. Die meisten Ihrer Aufnahmen schossen Sie allerdings aus Bodenhöhe. Wie war das möglich?

Joachim Schmeisser: Neben der Aufzuchtstation in Nairobi gibt es zwei Auswilderungseinrichtungen im Tsavo-Nationalpark. Dort kommen die Waisen hin, wenn sie etwa zwei bis drei Jahre alt sind, und bleiben dort weitere sechs bis sieben Jahre. Man ist also mitten im Busch und abseits jeglicher Touristenpfade. Aus diesem Grund waren wir zu Fuß mit den Elefanten unterwegs, wobei wir große Strecken zurücklegten, da die Tiere permanent unterwegs sind. 

Los geht es etwa um 5.30 Uhr. Dann erhalten sie in der Auswilderungssation ihre Milch. Während die Sonne aufgeht haben sie eine "Sozialstunde".

FOTO HITS: Hierbei entstanden vermutlich einige der eindrucksvollen Gegenlichtaufnahmen, die in Ihrem Buch zu sehen sind.

Joachim Schmeisser: Ich war zwar mitten unter den Elefanten. Aber ich musste die Situation intensiv beobachten, denn immerhin waren wir mindestens 200 bis 300 Meter von der Station entfernt. Hier ist es wichtig, sich auf eine bestimmte Geschichte zu konzentrieren, auch wenn vielleicht anderswo etwas Spektakuläres abläuft. 

Ich lernte auch dazu: Wann sich die Tiere kratzen, in die Sonne legen oder trinken. Wenn sie zu fressen anfangen, muss man schon genauer hinschauen, um einen bestimmte Aufnahme zu bekommen.

FOTO HITS: Sie fotografierten auch ausgewachsene Tiere etwa im Amboseli-Nationalpark. Die Begegnung mit einer Matriarchin, die ihre Familie beschützt, kann tödlich enden.

Joachim Schmeisser: Im Buch wollte ich die ganze Bandbreite zeigen, von den kleinen, die gerettet wurden bis zu den Großen, auch wenn es sich nicht immer um Ex-Waisen handelte. Mir war wichtig, diese wundervollen und majestätischen Tier in der Wildnis zu präsentieren. In solchen Fällen fotografierte ich vom Auto aus.

Eine Matriarchin kann gefährlich sein, die alten Bullen sind eher entspannt. Man muss sich richtig verhalten - schließlich registrieren einen die Tiere schon aus mehreren Kilometern Entfernung. Dazwischen sind unter Umständen ein See oder Marschland, die  zu Umwegen zwingen. Es erfordert also viel Geduld und auch Glück, um ein Motiv genau dort zu erwischen, wo man es haben will. Trotzdem entstanden die fast menschlichen Porträts, als ich gerade vier oder fünf Meter von ihnen entfernt war. Dabei lag ich fast außerhalb des Autos, um überhaupt eine tiefe Aufnahmeposition zu erreichen. 

FOTO HITS: Obwohl mich kenianische Verwandte immer wieder auf private Safaris mitnahmen, kam ich nie so nahe an Elefanten heran. Hatten Sie einen "Drehplan", den Sie gezielt einhielten?

Joachim Schmeisser: Schön wär's wenn man solche Aufnahmen planen könnte (lacht). Wichtig ist ein guter Wildführer, der etwa das Wetter und die Tiere einschätzen kann. Und selbst der wird immer wieder überrascht. Manche Bullen etwa sind über mehrere Jahre nicht zu sehen. Und wenn man sich fragt, ob er gewildert wurde, taucht er plötzlich wieder auf. 

FOTO HITS: Normalerweise benötigt man für eine Safari eine lange Brennweite, um formatfüllende Aufnahmen zu erhalten. Wie sah Ihr Objektivsortiment aus?

Joachim Schmeisser: Bei mir sind fast keine Aufnahmen mit einem Tele dabei. Sie bewegen sich eher zwischen 35 und 90 Millimetern. Die sind an einer Mittelformatkamera angesetzt. Für einige verwendete ich auch die neue Fujifilm, für die meisten eine Hasselblad. Nichtsdestotrotz fotografierte alles aus der Hand. Das macht natürlich alles etwas schwierig.

FOTO HITS: Dafür wird man mit unglaublichen Details belohnt, etwa im Blick oder den Runzeln der Dickhäuter.

Joachim Schmeisser: Für die Ausstellung in München wurden Bilder auf zirka 1,70 mal zwei Meter aufgezogen. Bezüglich Auflösung ist das Ergebnis gewaltig und geht an die Grenzen dessen, was heute technisch machbar ist.

Die meiste Zeit meines Lebens fotografierte ich analog, unter anderem mit einer Fachkamera mit Platten in vier mal fünf Zoll. Daneben benutzte ich eine Hasselblad  "6x6" und für private Zwecke das Kleinbildformat. Aber das Material brauche ich nur noch für künstlerische Zwecke, für die ich etwa ein bestimmtes Filmkorn einsetzen will.

Joachim Schmeisser
Erde I, Kenia 2013. Joachim Schmeisser erklärt: „Vor den Holzstallungen der Aufzuchtstation bekommt man kaum ikonische Fotos von Angesicht zu Angesicht. Sie erfordern eine emotionale Verbindung, die in diesem Umfeld nur schwer herstellbar ist. Daher lag es nahe, in den Busch mitzugehen, um zu erfahren, wie sich die Elefanten dort verhalten.“
Joachim Schmeisser
Ein Elefantenbulle betrachtet einen Vogel, Kenia 2017. „Wenn ich gerade einmal vier oder fünf Meter von den Elefanten entfernt war, entstanden fast menschliche Porträts. Dabei lag ich fast außerhalb des Autos, um überhaupt eine tiefe Aufnahmeposition zu erreichen“, erzählt Joachim Schmeisser.

FOTO HITS: Einige der Fotos sind in Farbe, andere in Schwarz-Weiß. Unsere Leser interessieren sicher die Arbeitsschritte, die nötig sind, um so makellose Aufnahmen zu kreieren.

Joachim Schmeisser: Das ist viel Arbeit. Eine Schwarz-Weiß-Umwandlung ist nicht ohne. Es ist sehr aufwändig, etwa eine Sepiatonung gut in den Druck zu übertragen, oder einen Farbton, der an eine Platin- oder Palladiumtonung erinnert, herzustellen. Da Lichter und Schatten je nach Bild verschieden dominant sind, gelingt es kaum, das Verfahren zu standardisieren. Für die Feinheiten muss manuell eingegriffen werden, worauf ich großen Wert lege. Das überlasse ich keinem Labor, sondern mache alles selbst.

FOTO HITS: Diese Kunstfertigkeit verhalf Ihnen 2012 zum renommierten Hasselblad Master Award. Nicht zuletzt trägt sie dazu bei, das Augenmerk auf die bedrohten Dickhäuter zu lenken. Können Sie hierzu noch etwas sagen?

Joachim Schmeisser: Nur wenige wissen, dass die Europäische Union und dort gerade Deutschland zu den größten Importeuren von angeblich legalem Altelfenbein zählen. Das wird alles von uns wieder nach Asien exportiert - ein Riesengeschäft. 

Erst vor einigen Tagen sprach ich in München mit der Gruppe "Pro Wildlife". Sie will  mir aktuelle Zahlen liefern, was tatsächlich passiert (Anmerkung der Redaktion: Ein Artikel ist unter www.prowildlife.de abrufbar).

FOTO HITS: Haben sich die vielen Reisen eigentlich amortisiert?

Joachim Schmeisser: Die Rechnung habe ich noch gar nicht aufgemacht. Wir verkaufen zwar Abzüge. Aber all das, was ich dort erlebt habe, ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Außerdem muss auch eine große Leidenschaft dahinter stecken. Solche Geschichten verändern ein Leben.

Ich habe es unlängst in München erlebt: Manche Besucher gehen weinend aus der Ausstellung heraus. Das gehört zu den schönsten Belohnungen, die sich ein Fotograf vorstellen kann. Es ist eine Auszeichnung, wenn die eigenen Bilder etwas bewegen. Wenn ich Menschen so berühren kann, habe ich mein Ziel erreicht.

Joachim Schmeisser

Als Werbefotograf arbeitete Joachim Schmeisser lange Zeit für große internationale Unternehmen. Neben kommerziellen Arbeiten widmet er sich Themen, die ihn persönlich interessierten. Dabei führten ihn zahlreiche Bildreportagen nach Afrika. Für seine Porträts verwaister Elefanten im „David Sheldrick Wildlife Trust“ erhielt er 2012 den renommierten Hasselblad Master Award. Er wird vertreten durch die Galerie Immagis in München. 

www.joachimschmeisser.com