Kolumne

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Die großen Meisterwerke

Auch ich habe ein Trauma. Traumatisiert wurde ich in meiner lange Jahre zurück liegenden Kindheit. Unser Heim war einem Museum gleich. Kunst, soweit man blicken konnte. Genauer gab es in dieser Einraum-Nasszelle Bilder in Massen. Meine Erzeuger hatten nicht nur einen Stich, sondern derer (wg. Elternpaar – Plural) also zwei. Den einen Stich hatte mein Herr Vater. Einen Stich mit zwei Händen. Gestochen scharf hing dieser an der linken Wand. Linke Wand, wenn man reinkam. Beide Hände machten, so sie im Querformat hingen, vermutlich „Ringlein, Ringlein, Du musst wandern“. Hochformatig ergaben die Hände so etwas wie Beten. In einem atheistischen Haushalt wurde das Querformat bevorzugt. Der Künstler war vermutlich aus Düren und hatte den Vornamen Albrecht. Wie die beiden Brüder, bei deren Aldi es die leckeren Sachen gibt.

 

Selbstredend hatte auch Frau Mama einen Stich. Dieser war etwas dunkler gehalten, mit einem Hauch von Gelb. Sozusagen ein Kunst-Bienenstich. Das Format war für die Nasszelle riesig. Wurde es zwecks Staubwischung auf den Boden gestellt, gelang es mir nicht darüber hinwegzuschauen. Ich zählte damals drei Lenze. Nicht, dass sich an meinem hoch aufgeschossenen Wuchs viel geändert hätte. Dieser Stich war eigenhändig von meinem Vater, gestochen scharf gemalt worden. Viel später sah ich das Bild dann in verschiedenen Zeitungen. Dort stand: „Der Mann mit der Bienenstich-Mütze“ sei nicht das Werk des großen Holländischen Meisters. Klar, den Schinken hatte ja mein Papa gemalt.

Damit mein Trauma mich nicht mehr traumatisiert, wenden wir uns somit mal den Großen Meisterwerken der Kunst zu. Schon immer ließen sich die genialen Maler von anderen, bei Malermeistern sagt man, „inspirieren“. Man sah, was der eine gemacht hatte, und schon war die Idee für ein eigenes Werk geboren. Also dürfen auch wir uns nicht genieren, mal was abzukupfern. Was Monet recht ist, war dem Picasso nur billig. Die ganz großen Künstler kopierten halt so das ein oder andere Stück. So entstand, unter anderem, die abstrakte Malerei. Wer will schon, dass irgendjemand gleich sagt: „Habe ich schon bei dem Tizian gesehen“. Oder: „Schau mal Papa, das is doch wohl von dem Leonardo da Windschief“. Dann sagt Mama: „Quatsch, das is von den Herrn Bastelwitz und abstrakt.“

Deshalb wollen wir uns die Großen mal vornehmen. Wichtig ist dabei - ähnlich wie bei der Musik – dass sie betonen, sie erstellten eine „Variation über ...“. Dann kommt nicht so eine Knalltüte und labert was von „Haste wohl von dem Riemenzerschneider abgekupfert?“ Denken wir somit immer daran: Das ist eine Variation über... (ruhig den Namen verschlucken). Nuscheln oder undeutlich sprechen geht auch.

Das Tolle daran ist: Gesehen hat man den Schinken ja schon. Aber der Urheber ist gerade nicht so parat. Mann kann sich ja auch nicht alles merken. Festplatte voll. Sollte Frau Gemahlin einwerfen: „Das Werk ham ma doch im Prada gesehen, Papa! Inne Urlaub.“ Klasse, die Frau ihres Chefs kennt sich aus. Variationen eben.  

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Original und Variation.  

 Mir persönlich gefällt ja das rechte Bild besser. Das ist aber reine Geschmackssache. Das linke Werk ist wohl von dem Moet. Ich hatte vorher überhaupt nicht gewusst, dass dieser Moet, voller Name: Dom Pérignon von Moet, auch gemalt hat. Seine Rülpsbrause ist aber irgendwie authentischer. Sicher hat der durch zu viele Verkostungen den Pinsel nicht mehr richtig führen können. Dann kleckert die Farbe mal hierhin, mal dorthin. Da ist das rechte Werk doch stärker strukturiert. Durch das Nebeneinander beider Werke erahnen viele sicher gleich, wie es gemacht wird und wohin ich Sie entführen möchte. Kleiner Tipp: Kommen Sie nicht in unseren Garten. Die Seerose (rechtes Bild) wurde beim Reinigen des elektrischen Bachlaufes auf unserem Anwesen leider vom blöden, polnischen Gärtner entsorgt. Gehen sie in den nächsten Baumarkt mit Gartencenter. Hier bekommen Sie so ein Pflänzchen meist im Sonderangebot. Ich sage nur: 20% auf alles.

Wenden wir uns jetzt einem weiteren großen Künstler zu. Dieser Harmenszoon van Rijn war ein typischer Barockmensch. Damit sich hinterher, also nach dem Schaffensakt, keiner bei ihm beschweren konnte, nannte er seinen Auftraggebern, also den Vorkasse-Zahlern, nur seinen Vornamen. Die kannten ihn nur unter Rembrandt. Somit war jede Reklamation aussichtslos. Versuchen Sie mal was zu reklamieren, wenn Sie nur den Vornamen, beispielsweise „Klausi“ haben. Es wird nicht klappen. Das Fernabgabe-Handelsgesetz war noch nicht in Kraft und van Rijn unauffindbar. Heute ist noch immer nicht geklärt, ob der Harmenszoon die Leinwand vollgeschmiert hat oder mein Vater. 

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Lord Helmchen

Bei mir ist nur der Kopfputz in Erinnerung geblieben. Eines Traumatisierten würdige Bedeckung seines Haupthaares, wie ich finde. Die Filter im Photoshop leisten bei der Angleichung prima Dienste. Der Helm ist eine Reproduktion aus der Variation meines Vaters. Nicht, dass morgen die Berliner Museums-Direktoren bei mir vor der Tür stehen und was vom Urheberrecht und Gefängnis nicht unter 20 Jahren schwafeln. Damit das Mal klar ist, Herr Direktor: Das zu Grunde liegende, meisterliche Foto hat meine königliche Hoheit von mir an den Gestaden der wunderschönen Hausfraueninsel aufgenommen. Da die Schweizer Garde mir nicht einen ihrer Metallhüte überlassen wollte, musste ich den Gelbhut, mittels Strg+C und Strg+V, von einem Bild (Reproduktion meines Vaters) ins reale Foto, überführen. Dann ein bisschen mit den Filterchen gespielt und fertig war das Werk. Durch diesen genialen Kunstgriff habe ich auch mein Trauma überwunden. 

Grübeln wir weiter. Welch Werk man denn sonst noch als Inspirationsquelle missbrauchen könnte. So schrecklich viele Werke kennt man ja auch nicht. Gut, dass ich meine Schulbücher kaum benutzt habe. Somit sind die noch wie neu. Beim Durchblättern selbiger strauchelte ich über das ein oder andere Bild. Meduse mit den Schlangen auf der Birne. Leider konnte ich die Königin nicht dazu bewegen, sich eine Kreuzotter aus unserem Garten zu holen und sich dann das Tierchen um den Kopf zu drapieren. Die Königliche leidet unter eine Schlangenphobie. Wäre aber sicher der Knaller gewesen. Man kann halt nicht alles haben. 

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Grippekranker Poet im Bett

 Hier kam mir dann der Zufall zu Hilfe. Dunkel erinnerte ich mich eines Werkes vermutlich aus dem frühen Biedermeier, welches ich zur Schulzeit sehr gerne gemocht hatte. Der Künstler war eine gewisser Herr Spitzweg. Sein Name wurde abgeleitet, weil er in der Spitzgasse residierte und immer ziemlich schnell wieder weg war, wenn der Vermieter kassieren kam. Links unten im Bild habe ich geschickt einen Golfschirm über das Holz gespannt. Nasses Holz qualmt und brennt nicht richtig. Die Dächer waren damals noch nicht so isoliert wie es heute Vorschrift ist. So eine Kammer könnte man nicht mal mehr an Menschen mit anderer Hautfarbe vermieten. Da ist das Wärme-Dämm-Schutz-Gesetz vor. Dieses hat ehrbare Vermieter und Baulöwen in den Ruin getrieben. Wir haben aber einen sehr wohnlichen Dachboden. Total unisoliert. Ab und an, wenn die Städter aus Köln und Düsseldorf im Bergischen einfallen, vermieten wir diesen als Unterkunft. Motto: „Schlafen wie zu Spitzwegs Zeiten.“ Sind mal keine Gäste da und ich kränkele etwas, darf ich ihn benutzen. Den hat meine Frau Gemahlin, wie man sieht, wohnlich hergerichtet. Sie behauptet, so ein grippaler Infekt gehe schneller in dieser heimeligen Atmosphäre vorbei.

Blättern wir weiter in Kunstbüchern und warten darauf, dass die Muse uns küsst. Mich schlabbert sie permanent ab. Somit brauch' ich kein Buch und mir die Birne zu zermartern. Im Sommer reisen die Königin und ich sehr gerne nach Bella Italia. Außer wir haben Billigflüge nach Malle ergattert. Air Berlin sei dank. Auf der Insel mit mehreren Bergen gibt es auch Museen. Diese sind aber mehr so Heimatmuseen. Verstaubt aber mal ein wahrer Großer hier, dann ist das meist ein Miró. Diesen in meine Bildsprache umzusetzen ist schier unmöglich. Aber im Land der Pasta und Outlet Shops wird man da doch schnell fündig. Florenz hatte ja, dank der Medicis, eine Menge Zeug rumliegen. Unter anderem auch die drei Grazien. Diese sind aber erschreckend klein und immer von lüsternen Asiaten umlagert. Die Uffizien werden regelmäßig vom Arno durchgespült. Praktisch wie unser Frühjahresputz. Hernach können Touristenströme alles wieder dreckig machen. Aber dem Italiener ist ja auch der Fußabtreter total fremd. Er braucht keinen, weil er den Arno hat.    

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The Last Dinner

 Völlig legal hier, bei einem italienischen Vorbild die englische Sprache zu benutzen. Damit verwirren Sie die Betrachter, und das ist ja der Zweck, der bekanntlich alle Mittel heiligt. Dieses monumentale Werk ist ein Mysterium. Immer wieder fragt man sich, wie kam die Frau, in diesem Fall meine königliche Hoheit, also wie kam das Weib ins Bild und warum. No Dogs, no Ladys, wie der Schotte sagt. Aber nun ist sie schon mal drin im Werk, und ja, die Weiblichkeit lockert doch die Männergesellschaft erheblich auf. Zwar ist der Mann die Krone der Schöpfung, da Frau ja aus seiner überflüssigen Rippe entstand, weshalb Schotten meinen, Frauen wären irgendwie noch nicht da. Somit rennen diese immer noch im Röckchen herum. Für Epiliergeräte sind die zu geizig. Sieht irgendwie schlimm aus. Nur der Connery macht im Rock eine annehmbare Figur. Aber ich hab in Schottland auch eher nur so herbe Schönheiten gesehen und kann durch Inaugenscheinnahme den Schotten verstehen.

Also Leo ist tot und wird uns das Mysterium nicht verraten. Deshalb, wenn Sie sich daran versuchen, zwängen Sie auf jeden Fall eine Maid mit auf Bild. Obacht, dies ist ein sakrales Werk. Keinesfalls barbusige Ilonas dazwischen mogeln. Titten gehen nur bei Madonnen und Engelchen. Da suchen Sie sich besser ein anderes Bild. Damit der heutige Mensch aber begreift, worum es geht, kann man das Logo eines bekannten Speiselokales mit ins Bild bringen. Im Mittelpunkt steht der König. Dargestellt durch die Krone über dem Haupte. Betrachter werden sofort anfangen zu singen: Ich bin der König von Mallorca, ich bin der King von Arenal.

Achten sie bei den Aufnahmen der verschiedenen Personen darauf, dass keiner zu tuntig aus der Wäsche schaut. Das Bild stellt nicht den Christopher Street Day dar, sonder eben The Last Communion.

Bei einigen mittelalterlichen Gemälden zeigt sich, wer das Bunte, Körperbetonte in die Mode gebracht hat. Der Mann! Denken sie an die hodenbetonten Beinkleider, die Strumpfhosen und den Push up. Tragen alles Männer. Dies putzt aber nicht jeden heutigen Kerl.

Es gibt noch so manches Werk, über das wir uns hermachen können. Denken Sie mal an Lissitzky oder an Tamara de Lempicka. Lassen Sie die Finger aber von der Mona Lisa. Das hat schon jeder einmal probiert. Das ist doch billigste Karnevalsfotografie. Nur der Rheinländer darf so etwas ab dem 11.11. Selbst Breughels Winterlandschaften bieten sich an. Im Sommer, mangels Schnee, kann man mit Styropor sehr schöne Effekte erzielen. Das Gute an dem Kunststoff: er ist billig, verrottet nicht und fliegt beim leichtesten Windstößchen zu Ihren Nachbarn. Dann haben Sie denen auch im Sommer eine Freude bereitet. Wünschen Sie, wenn die angeschissen kommen, einfach: „Eine Frohe Weihnacht“.