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Bild: Jered und Ashley Gruber.
Bild: Jered und Ashley Gruber.

Action-Held

Großes Kino, kleine Kamera: Manch Videofilmer scheute sich bislang, Action oder Wildtiere mit einem Gerät einzufangen, das er dem Fotobereich zuordnete. Die Nikon Z 9 überwindet diese Grenze. Welches Potenzial locker in eine Handfläche passt, bewies das neue Spitzenmodell der Z-Serie in der Praxis.

Der Moment, auf den ein Naturfilmer tagelang gewartet hat: Ein Adler krallt sich in eleganter Flugbahn seine Beute. Doch da die Kamera heißgelaufen ist, muss sie leider gerade eine halbe Stunde abkühlen – bei langen Aufnahmen ein bekanntes Problem. Ähnlich katastrophal ist es, wenn man so einen Motorradstunt verpasst, ein Interviewpartner warten muss oder ein Model die gebuchte Zeit zwischendurch nur absitzt. Kurz: Ein Profifotograf will darauf vertrauen, dass seine Kamera ihm erstens Spitzenmaterial liefert und das zweitens verlässlich.

Nikon Z 9

  • Auflösung: 8.256 × 5.504 Pixel, 45,7 MP
  • Chip-Größe: 35,9 × 23,9 mm, KB
  • Verschlusszeiten: Bulb; 30 bis 1/32.000 s
  • Lichtempfindlichkeit: ISO 64-25.600 (erweitert ISO 32 bis 102.400)
  • Autofokusfelder: Hybrid-AF mit 493 AF-Feldern; Gesichts-/Augenerkennung
  • Sucher: 3,68 Mio. RGB-Bildpunkte
  • LCD: 2,1 Mio. RGB-Bildpunkte
  • Internet: www.nikon.de 

Die Nikon Z 9 ist erwiesenermaßen ein solches Musterbeispiel. Erstens erhielt sie im Labortest von FOTO HITS 3/2022 ein „Exzellent“ mit dem Fazit: „Das Warten auf die Z 9 hat sich gelohnt. Nikon hat alles an fotografischem und filmischem Know-how in sie hineingesteckt, das man bei einer spiegellosen Systemkamera im Jahr 2022 erwartet.“ Zweitens erprobte sie der Filmprofi Marian Hirschfeld bei einem Outdoor-Dreh. Allen, die ihren Spielraum als Fotografen und Filmer erweitern wollen, legt er seine Erfahrungen offen.

Damit die Leser eine Vorstellung vom Leistungssprung bekommen, darf die Nikon Z 9 zuerst einige ihrer Vorteile auflisten:

  • extrem schnelle Autofokus-Funktionen,
  • Serienbilder mit 20 Aufnahmen pro Sekunde in voller Auflösung von 45,7 Megapixel,
  • Video-Auflösung mit 8K (7.680 mal 4.320 Pixel) bei schnellen 30 Vollbildern pro Sekunde,
  • dank einem „Dual Stream“ genannten System erscheint das Sucherbild verzögerungsfrei und ohne Dunkelphasen zwischen den Aufnahmen.
  • Die Kamera liest die Sensordaten flott aus, sodass schnelle Objekte unverzerrt erfasst werden (was etwa gekrümmte Propeller aufgrund des Rolling-Shutter-Effekts vermeidet).

 

 

Marian Hirschfeld unterzog die neue Nikon Z 9 einem Praxistest. Ihre Geschwindigkeit überraschte sogar den Experten.
Marian Hirschfeld unterzog die neue Nikon Z 9 einem Praxistest. Ihre Geschwindigkeit überraschte sogar den Experten.
Hirschfeld kennt und schätzt die Z-Kameras bereits. Daher wurde er auch mit der Z 9 sofort warm. Kühl blieb erfreulicherweise der Prozessor, der unterbrechungsfreie Filmsequenzen erlaubte.
Hirschfeld kennt und schätzt die Z-Kameras bereits. Daher wurde er auch mit der Z 9 sofort warm. Kühl blieb erfreulicherweise der Prozessor, der unterbrechungsfreie Filmsequenzen erlaubte.

Die meisten Kameras kommen an solche Spitzenwerte nicht heran. Wenn sie dennoch an der Leistungsgrenze kratzen, überhitzen sie rasch. Ein fühlbarer Vorteil der Z 9 dagegen ist: Sie bleibt cool, auch wenn sie ein Interview oder ein Konzert mit 8K über zwei Stunden hinweg aufnimmt.

Aus Erfahrung weiß Hirschfeld zudem, wie nützlich es bei Live-Ereignissen ist, eine Kamera auf Verdacht hin laufen zu lassen. Denn schließlich kann man selten vorhersagen, wann die Action beginnt. Als Sahnehäubchen bietet die Z 9 extreme Zeitlupen in 4K mit 120 Bildern pro Sekunde.

Doch Auflösung ist nicht alles, auch wenn mancher Pixelsüchtige vorrangig darauf schaut. Wichtiger ist, ob dieser Detailreichtum kreativ nutzbar ist. Das Wort erhält daher der Profi Marian Hirschfeld, der weiß, wie sich die Nikon Z 9 in der Praxis schlägt – nur darauf kommt es letztlich an.

GOLDGRUBE

Autofokus-Spezialisten wie der Permanente Autofokus oder der Motiv-Verfolgungs-AF stellen sogar Action-Szenen zuverlässig scharf.
Autofokus-Spezialisten wie der Permanente Autofokus oder der Motiv-Verfolgungs-AF stellen sogar Action-Szenen zuverlässig scharf.

Die dürre Bezeichnung 8K übersetzt ein Videoprofi mit „größere Freiheit, höchste Qualität und daher mehr Honorar“. Auch wenn Hirschfeld nur für ein Online-Magazin filmt, kann er aus den 8.256 mal 5.504 Pixel nachträglich einen erstklassigen Ausschnitt herausholen.

Sogar wenn der Filmexperte ein Hoch- aus dem Querformat schneidet, erhält er dank der Datenfülle noch immer ein detailreiches Ergebnis. Benötigen die Farben und Tonwerte keine weiteren Optimierungen, speichert sie das hochmoderne Format H265 extrem platzsparend ab.

Die Rohdaten im Format Apple ProRes wiederum liefern maximale Qualität – Hirschfeld benutzt es ständig. Nur wenn sich Aufnahmen über Stunden hinweg ziehen, bevorzugt er H265. Er bestätigt: „Mit dem erweiterten Tonwertumfang eines solchen Raw-Formats sollte sich jeder beschäftigen, ob er fotografiert oder filmt. Denn man will fast immer die Farben nachbearbeiten. Wenn sich ein Video-Einsteiger noch nicht an die Raw-Videoausgabe wagt, schlägt ihm die Z 9 alternativ das Format N-Log vor, das mit weniger Rechenleistung auskommt. Damit erzielt man bereits schöne Resultate, das ProRes-Raw-Format legt einfach noch eine Schippe drauf.“

Ein solcher Datenreichtum hat normalerweise seinen Preis: Die Verarbeitung geschieht schleppend, man muss Verzögerungen hinnehmen. Hier hat die Nikon Z 9 vorgesorgt: Die Daten gelangen auf zwei der momentan schnellsten Speichermedien, wahlweise auf CFexpress oder XQD. Hirschfeld sagt: „Ich habe ohne zu überlegen in die schnellste Karte investiert. Als ich die Z 9 ausprobierte, kam sie mir bei so ziemlich allem extrem schnell vor. Ob Full HD oder 8 K, ich empfand es als – wie ich es nenne – ,snappy‘, also schwungvoll.“

Auch bei Action und schwierigen Lichtbedingungen muss ein Autofokus rasch greifen. Bild: Jered und Ashley Gruber.
Auch bei Action und schwierigen Lichtbedingungen muss ein Autofokus rasch greifen.Bild: Jered und Ashley Gruber.

SCHARFE SPIELE

Wer ein Gesicht eisern im Schärfebereich hält, statt mit der Unschärfe zu spielen, beraubt sich virtuoser Gestaltungsmöglichkeiten. Ob Interview oder romantischer Abspann – das kunstvolle Ausblenden beweist Stil.

Eine ruhige Szene lässt sich entspannt per Hand fokussieren oder weichzeichnen. Für jede andere Situation kommt die neue Nikon Z 9 mit ebenso schnellen wie zuverlässigen Helfern entgegen, die Hirschfeld kreativ einsetzt. Neben dem manuellen Fokus bieten sich an:

Kontinuierlicher Autofokus (AF-C): Er gestaltet etwa ein Interview vielseitiger, indem der Fokus nur für eine gewisse Zeitspanne festgelegt ist. Beispielsweise kommt das Gegenüber auf den Filmer zu und bleibt vorübergehend im Schärfebereich. Lässt man den AF-C-Knopf los, wird er schemenhaft, was eine schöne Abblende ergibt.

Permanenter Autofokus (AF-F): Dank ihm muss man sich überhaupt nicht mehr ums Scharfstellen kümmern. Er greift selbst dann unbeirrt, wenn das Hauptmotiv kurzzeitig etwa von Laternenmasten verdeckt wird.

AF-Messfeldsteuerung: Sie lässt zwei unterschiedlich große Messfelder festlegen, S und L. Denn trotz schlauer Motiv-Programme wie der Gesichtserkennung ist gelegentlich ein größeres oder kleineres Messfeld zweckmäßig.

Motiv-Verfolgungs-AF: Er stellt gewissermaßen einen Auto-Autofokus dar. Mit ihm kann man problemlos auf die Augen von Menschen oder Tieren oder sogar auf Rennautos scharfstellen.

Eine ausgedehnte Schärfentiefe von mehreren Metern stellt fast keinen Autofokus vor Herausforderungen. Doch scheitern selbst High-End-Kameras bei einem niedrigen Blendenwert wie etwa f2. Aufgrund dieser Schwäche erkauft man sich einen schön weich ausgeblendeten Hintergrund oft damit, dass das Hauptmotiv ungewollt unscharf wird.

Dagegen konnte Hirschfeld problemlos bis Blende f1,2 filmen. „Bei langsamem Näherkommen war es ohnehin kein Problem. Sogar wenn man schneller rennt, klappte es noch immer gut, nur manchmal musste der Autofokus kurz nachziehen.“


Interview

Fotohits im Gespräch mit Marian Hirschfeld

„Wer sich professionalisieren will, der erhält mit der Z 9 ein super Upgrade.“
„Wer sich professionalisieren will, der erhält mit der Z 9 ein super Upgrade.“

FOTOHITS: Fortwährend kommt neuere und bessere Technik auf den Markt. Erlaubt die Nikon Z 9 tatsächlich noch einen bemerkbaren Sprung nach vorn?

Marian Hirschfeld: Die Z 9 spielt in der Spitzenliga mit, weil sie bezüglich Foto und Film ein richtiges Tier ist. Auf der einen Seite stehen die „specs“, also die technischen Daten. Auf der anderen, wie sich eine Kamera anfühlt. Auf mich wirkte sie ebenso schnell wie solide.

Dass all diese Leistungen in einer Kamera vereint ist, macht sie noch für viele Jahre zu aktueller Technik. Wer jetzt in eine Z 9 investiert, ist bezüglich Auflösung und Bildrate für die nächsten fünf bis zehn Jahre versorgt. Die Voraussage mag mutig sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Zeit Anwendungsbereiche für mehr als 8K aufkommen.

FOTOHITS: Wie lange hast du dich in die Nikon Z 9 eingefuchst, bis du ein Gefühl für sie entwickelt hast?

Marian Hirschfeld: Zirka fünf Minuten. Wenn man wie ich die ganze Zeit mit einer Nikon Z 6 arbeitet, dauert das nicht lange.

FOTOHITS: Welche Szenen kannst du mit der Z 9 filmen, die zuvor schwerer umsetzbar waren?

Marian Hirschfeld: Ich kann mit der Z 9 besser aus der Hand filmen. Ein erstklassiges Format wie N-Log und Video-Raw war bei anderen Z-Kameras nur mit einem externen Monitor möglich. Jetzt nehme ich es zusätzlich mit 4K und hundert Bildern pro Sekunde auf, während ich beispielsweise auf einem Skateboard stehe. Ohne Zusätze nutze ich also eine handliche Kamera, die mir ermöglicht, neue Blickwinkel und damit Szenen zu entdecken.

FOTOHITS: Ein actionreicher Motorrad-Stunt durchkreuzt oft wohlüberlegte Kameraeinstellungen. Wie stehen die Chancen bei der Nikon Z 9, die eine oder andere Hilfsfunktion rasch auszuwählen?

Marian Hirschfeld: Generell halte ich Nikon-Kameras für intuitiv bedienbar. Die Nikon Z 9 besitzt mehr Knöpfe als üblich, die man mit eigenen Funktionen belegen kann. So ist es möglich, schnell zwischen ihnen zu wechseln. Falls nötig, würde ich beispielsweise den Motiv-Verfolgungs-Autofokus auf eine Taste legen, um ihn bei Bedarf rasch zuzuschalten.

Als Besonderheit stellt die Z 9 einen integriertem Hochformatgriff samt diversen Bedienelementen bereit. So kann ich die Kamera auch in dieser Position perfekt eigenen Bedürfnissen anpassen. Gleiches gilt, wenn ich zwischendurch die Framerates etwa für eine Zeitlupe ändern will. Da ergeben die Knöpfe einen echten Mehrwert.

FOTOHITS: Angesichts ausgefeilter Helferlein könnte mancher denken, die Kamera-Automatik wird schon alles richten. Entspricht das deinen eigenen Erfahrungen?

Marian Hirschfeld: Auf keinen Fall. Egal, wie schlau Kameras werden: Gerade bei längeren Filmsequenzen muss sich der Benutzer genau überlegen, wie er die Kamera einstellt.

Ab einem gewissen professionellen Niveau weiß eine Kamera nicht mehr, was ich will, und ich muss es entsprechend regeln. Dann muss man sich die Freiheit nehmen, selbst Entscheidungen zu treffen. Das gilt beispielsweise, wenn ich Szenen experimentell belichten will, etwa menschliche Silhouetten im Gegenlicht.

FOTOHITS: Die hohe 8K-Auflösung erleichtert es, aus Videos nachträglich Motivausschnitte und sogar das Hoch- oder Querformat herauszuholen. Bringt dir das bei Aufträgen wirklich Vorteile?

Marian Hirschfeld: Ja, das tut es. Theoretisch könnte ich sechs verschiedene Hochkant-Auschnitte aus dem Material ziehen und trotzdem eine Story in Full-HD erzählen.

Tatsächlich muss man Aufträge häufig sowohl im Quer- als Hochformat abgeben. Wenn ich weiß, dass ich nur das Hochformat benötige, filme ich natürlich entsprechend. Aber gerade angesichts von möglichen Seitenverhältnissen wie 1:1, 2:1 oder 16:9 bin ich mit 8K auf der sicheren Seite. Zudem kann ich den Bildausschnitt erweitern oder einengen.

Bei manchen Filmen weiß ich, dass sie eher für Instagram bestimmt sind, dann wähle ich ein stärker komprimiertes Format. Hier ist ein Pluspunkt der Z 9, dass sie für geringere Auflösungen – nicht wie viele andere Modelle – keinen Bildausschnitt aus dem Sensor herausschneidet. Sie nutzt den gesamten Sensor. Andere Storys sollen auch auf der großen Leinwand gut wirken, da geben 8K und das Raw-Format alle Möglichkeiten.

FOTOHITS: Du arbeitest mit Tragesystemen wie Rig oder Gimbal. Sind deiner Erfahrung nach mit der Z 9 unverwackelte Aufnahmen aus der Hand möglich?

Marian Hirschfeld: Die Sensor-Stabilisierung von Nikon ist ohnehin cool. Solange ich nicht wild herumrenne, kann ich pro­blemlos aus der Hand filmen. Da die

Z 9 vergleichsweise klein ist, lässt sie sich auch auf kleinen Gimbals unterbringen, was weitere tolle Aufnahmen erlaubt. Dass man etwa auf einem Ronin-S, das mit einer Hand gehalten wird, eine 8K-Kamera befestigen kann, ist eine gute Sache.

FOTOHITS: Welche drei Funktionen sind deine persönlichen Glanzlichter?

Marian Hirschfeld: Die erste ist definitiv die interne Aufnahme mit N-Log und Apple ProRes. Dann die 50 bis 120 Bilder pro Sekunde im Format Ultra HD und schließlich der Hochkant-Griff zusammen mit dem schwenkbaren Display.

Der Griff ist sehr wichtig und wird dennoch vielfach unterschätzt. Mittlerweile werden zahlreiche hochformatige Filme produziert, ich selbst filme 30 bis 40 Prozent in dieser Ausrichtung. Normalerweise muss man Tragesysteme kaufen wie einen so genannten Cage – die Nikon Z 9 macht ihn überflüssig. Große Klasse!

FOTOHITS: Wem würdest du einen Wechsel zur Nikon Z 9 empfehlen?

Marian Hirschfeld: Generell Menschen, die sowohl Fotos als auch Video benutzen, für die es also keine Entweder-Oder-Entscheidung ist. In beiden Fällen ist die Z 9 ein Monster im positiven Sinn.

Sie ist auch zu empfehlen, wenn man noch viele Jahre auf eine solide Foto- und Filmkamera bauen will. Wer sich hier professionalisieren will, der erhält mit der Z 9 ein super Upgrade.