Report

Bild

Fake-Fotos unter der Lupe

Der Forensiker Dr. Stefan K. Braun berichtet

FOTO HITS stellte in Ausgabe 6/2023 Werkzeuge vor, mit denen jeder Fälschungen aufspüren kann. Begleitend zum Interview, das die Redaktion auch hier in unserer Rubrik "Report" veröffentlicht, legt der Forensiker Dr. Stefan K. Braun einige seiner Verfahren offen.

Es existieren ein bis zwei Dutzend Methoden, um Bildinhalte zu analysieren. Nicht jede von ihnen funktioniert immer. Man sollte sich also nicht auf ein Verfahren kaprizieren, die Wahl hängt von der Entstehung einer Aufnahme, der Tages- oder Nachtzeit sowie der Art der Manipulation ab.

Ausgangsbild Kuh
Das Ausgangsbild der Kuh ist bereits eine Bearbeitung und kein Original. Der Hintergrund wurde verändert, ebenso gab es Retuschen in der Kuh. Das Gleiche galt nebenbei für den Frauenkörper.
Composing
Beim Composing mit anderen Fotos ergeben sich Mischergebnisse. Ein Bildforensiker hat also zwei bereits kontaminierte Ausgangsfotos und ein zusätzlich verändertes Composing vor sich.

Untersuchungsmethode ELA

ELA Methode
ELA Methode, Kuhkopf, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Schon sie unterstützt die Erkenntnis, dass das Foto bearbeitet wurde. Es wäre also in einem gerichtlichen Zusammenhang nicht mehr verwertbar.
ELA Methode
Die zweite ELA-Methode im Kuhkopf oben ist sehr streng, anders ausgedrückt ist ihr Schwellenwert hoch angesetzt. Daher lässt sie eine visuelle Darstellung nur zu, wenn Eingriffe sehr stark waren.
ELA Methode
ELA Methode, Composing, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Wieder hebt sich deutlich die unterschiedliche Komprimierung des eingefügten Kuhkopfs vom Restbild ab.

Ich wendete unter anderem vier ELA-Methoden an, zwei sind oben zu sehen. Die tiefschwarzen Bereiche zeigen an, dass in ihnen eine andere Komprimierung erfolgte als im Rest.

Die höherschwellige Methode unten links ist vorteilhaft, wenn in einem Bild sehr starke Lichtreflexionen vorhanden sind, die eine niederschwellige ELA-Methode allzu deutlich und großflächig anzeigen würde. Dagegen sind sie hier im Resultat weitgehend, aber nicht ganz ausgeblendet. 

Untersuchungsmethode Color Palette

Die „Color Palette“ ist sehr geeignet, um Manipulationen nachzuweisen. Der Hintergrund ist wie folgt: Der Kamerasensor erfasst nur einen Bruchteil des realen Farbraums, beispielsweise nur 98 Prozent. Dann erfolgt die Retusche, wobei die aufgetragenen Pixel um beispielsweise 0,0001 Prozent abweichen. Mit dem bloßen Auge erkennt das niemand. Die „Color Palette“ aber doch, und färbt den einen Pixel Rot und den anderen Türkis. 

Der Himmel könnte sogar großflächig übermalt sein, wie es bei dem Kuhkopf der Fall war. Dann fehlt jeglicher feine Unterschied zwischen den Pixel und die „Color Palette“ macht sichtbar, dass dieser Hintergrund mittels Computer verändert wurde. Dagegen zeigt die Stirn der Kuh ein fein gerastertes Farbrauschen. Hier kann man davon ausgehen, dass keine Eingriffe gemacht wurden.

Color Palette
Color Palette, Kuhkopf, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Der Computereinsatz geschah im Himmelbereich durch einen flächige Retusche. Teilretuschen erfolgten in der unteren Bildhälfte.
Color Palette
Color Palette, Composing, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Das Composing zeigt die gleichen Merkmale wie die Einzelbilder, allerdings in den unberührten Bereichen weniger prägnant ausgeprägt. Eine Mischung bearbeiteter Bilder reduziert die Aussagekraft.

Untersuchungsmethode Luminanz

Wenn man eine Fotomontage mit abendlichem Motiv erstellt, wo nach der Filterung bestimmte Stellen Rot sein sollten, aber Gelb oder Grün sind - bei Grün kommt das Licht von oben -, dann entstand sie tatsächlich zur Mittagszeit. 

  • Licht von links = Rot,
  • Licht von oben = Grün,
  • Licht von links + oben = Gelb,
  • Licht von links + rechts, oben + unten = Schwarz
Luminanz
Luminanz, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Hintergründe weisen andere Lichtwinkel auf: In der oberen Hälfte kommen sie aus allen Richtungen, in der unteren Hälfte von oben und links.
Luminanz
Luminanz, Composing, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Besonders die Kanten zeigen verstärkte Eingriffe durch andere unlogische Lichtwinkel

Untersuchungsmethode Natürliche Kanten

Natürliche Kanten
Natürliche Kanten, Kuhkopf, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Kanten sind im Kopfbereich sichtbar. Doch fehlen sie aufgrund von Eingriffen im Restbereich des Bilds.
Natürliche Kanten
Natürliche Kanten, Composing, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Kanten sind im Kopfbereich und den Schultern sichtbar. Doch fehlen Kanten durch Eingriffe im Restbereich des Bilds.

Untersuchungsmethode Quantisierung

Quantisierung
Die öffentliche Website fotoforensics.com gab verdächtige 86 Prozent für den bloßen Kuhkopf an, Bilddaten kommen aber gewöhnlich mit über 90 Prozent aus der Kamera.
Quantisierung
Doch für die der Kuhkopfmontage sagte fotoforensics, dass die letzte Speicherung mit eigentlich unverdächtigen 98 Prozent war. Daher kann man sich allein auf die Aussage dieses Werkzeugs nicht verlassen: Trotz der plausiblen Zahl handelt es sich eindeutig um einen Fake.

Die Quantisierung in den Zahlenreihen macht erkennbar, ob ein Bild komprimiert wurde. Doch absolute Prozentzahlen können in die Irre führen. 

Genau sehen kann man das in den quantisierten Tabellen. Die Matrix hat mit den Eigenschaften des JPG-Format zu tun, das im Gegensatz etwa zu einem normalen TIFF bei jeder Speicherung komprimiert wird.

Wenn man ein JPG unendlich oft speichert, ist am Ende kein Bildinhalt mehr da. Wenn ein Bildbereich signifikant mehr Fehler-Level aufweist wie ein anderer, kann das auf eine Bearbeitung hinweisen. Die Fehler-Level sind auf eine Matrix von acht mal acht Pixel aufgeteilt. Schaut man auf die Quantisierung, entspricht sie dieser Aufteilung. Jedes Speichern, Stempeln und so weiter erhöht den Fehler-Level. 

Matrix der "JPEG Luminance Quantization Table" 

[ 2. 3. 3. 4. 6. 8. 13. 19.]

[ 3. 4. 5. 6. 8. 9. 12. 17.]

[ 3. 5. 6. 7. 10. 14. 20. 30.]

[ 4. 6. 7. 9. 12. 17. 24. 35.]

[ 6. 8. 10. 12. 15. 21. 29. 42.]

[ 8. 9. 14. 17. 21. 28. 37. 53.]

[ 13. 12. 20. 24. 29. 37. 50. 69.]

[ 19. 17. 30. 35. 42. 53. 69. 92.]

 JPEG Chrominance Quantization Table 

[ 2.  3.  3.  4.  6.  8. 13. 19.]

[ 3.  4.  5.  6.  8.  9. 12. 17.]

[ 3.  5.  6.  7. 10. 14. 20. 30.]

[ 4.  6.  7.  9. 12. 17. 24. 35.]

[ 6.  8. 10. 12. 15. 21. 29. 42.]

[ 8.  9. 14. 17. 21. 28. 37. 53.]

[ 13. 12. 20. 24. 29. 37. 50. 69.]

[ 19. 17. 30. 35. 42. 53. 69. 92.]

Niedrige Anfangszahlen deuten ebenfalls darauf hin, dass eine Komprimierung vorliegt. Schon der Kuhkopf beginnt nur mit 2, 3, und so weiter. Die Montage listete sogar vor allem Einsen auf. Das ist verdächtig, aber nicht der Weisheit letzter Schluss.

Untersuchungsmethode Signaturen

Signaturen
Signaturen Ausgangsbild, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Es sind keine Signaturen vorhanden, also ist es kein Original aus der Kamera.
Signaturen
Signatur Bildbearbeitung, also ebenfalls kein Kameraoriginal.
Signaturen
Signaturen des nachfolgenden Originalbild der Säule, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023. Es existiert ein vollständiges Abbild der Signaturen ohne verdächtigen Einträge, vor denen die Ausgabe "High" warnen würde.

Online-Tools bieten es nicht an, Signaturen auszulesen. Das gehört aber zur forensischen Analyse. Sie zeigt also nicht nur wie die EXIF-Daten an, dass das Foto von einer NIKON D300 stammt, sondern überprüft das auch anhand der eingewobenen Signatur. Solche Analyse-Systeme müssen ständig aufgefrischt werden, damit die neuesten Kameramodelle dort hineinkommt, da sie ansonsten nicht erkannt werden.

Falls jemand die Signatur verändert, erkennt das System solche fremden Eingriffe. Dann gibt es die Warnmeldung „High“ aus.

Untersuchungsmethode Strings

Strings
Original aus der Nikon D300. Die Strings sind unten im Fließtest aufgelistet. Foto: Dr. Stefan K. Braun
Strings
Die Figur auf der Säule wurde wegretuschiert, was im Gegenzug die Strings vermehrte.

Die Strings machen ebenfalls klar, dass ein Foto bearbeitet wurde. Der String einer Datei direkt aus der Kamera nennt unter anderem den Kamerahersteller und die Gerätenummer.

Im Original sind sie natürlich unverdächtig. Dies bestätigten sämtliche Tests wie ELA, Color Palette, Luminanz natürliche Kanten und Signaturen.

Nachfolgend die Strings des Originals:

  • NIKON CORPORATION
  • NIKON D300
  • Ver.1.11
  • 2017:11:11 12:49:04
  • 2017:11:11 12:49:04
  • 2017:11:11 12:49:04
  • FINE
  • AUTO
  • AF-S
  • NORMAL
  • 4053207
  • 0100STANDARD
  • STANDARD

Beim zweiten Bild mit der entfernten Figur kamen Strings hinzu von Hewlett-Packard, ICC-Profile und Links, bei jeder Bearbeitung kommt dann noch ein String etwa von Adobe mitsamt Photoshop-Version hinzu. Wenn jemand solche Metadaten entfernt, ist dies ebenfalls verdächtig. 

Neue Strings 

... und neue Signaturen

  • NIKON CORPORATION
  • NIKON D300
  • Adobe Photoshop CS4 Windows
  • 2023:04:09 22:26:52
  • 2017:11:11 12:49:04
  • 2017:11:11 12:49:04
  • Adobe_CM
  • Photoshop 3.0

Weitere Analysen erhärteten den Verdacht, den die veränderten Strings bereits erweckten.

ELA
ELA Methode, Nikon-Foto, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023.Die abweichende Komprimierung im oberen Bereich der Säule erscheint als schwarzer Fleck.
Color Palette
Color Palette, Nikon-Foto, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023.Sichtbare Retuscheeingriffe im oberen Bereich der Säule.
Luminanz
Luminanz, Nikon-Foto, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023.Eindeutiger Computereinsatz im oberen Bereich der Säule, starke Sonneneinstrahlungen im Säulenbereich erschweren allerdings die Analyse.
Natürliche Kanten
Natürliche Kanten, Nikon-Foto, Digital Forensiscs Dr. Braun 2023.Fehlende Kanten bei der Figur im oberen Säulenbereich aufgrund von Eingriffen

Dr. Stefan K. Braun

Dr. Stefan K. Braun ist Buch- und Wissenschaftsautor und arbeitet als Forensiker mit den Schwerpunkten Bild-, Audio-, Video- und Medienforensik. In dieser Eigenschaft wurde er in Kriminalfällen hinzugezogen. 2018 wurde er zum Handelsrichter am Landgericht Frankfurt am Main berufen. Dr. Braun hält Gastvorträge an Universitäten zu aktuellen Medienthemen und tritt als wissenschaftlicher Berater und Experte in TV-Produktionen in Erscheinung. Bei der IHK Frankfurt am Main ist er Mitglied in den Prüfungsausschüssen für Mediengestalter, Gestaltung und Technik Digital, Konzeption und Visualisierung, Beratung und Planung sowie Gründungsmitglied des Prüfungsausschusses Musikfachwirt/-in (IHK).

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