Report

Bild

Mythen zur Datenrettung

Legenden entlarvt

Ein zerstörtes digitales Bildarchiv ist eine Katastrophe. Um sie abzuwenden, folgen manche Fotografen jedem falschen Propheten, der Rettung verheißt. Diese versprechen mit esoterisch anmutenden Verfahren die Speichermedien wiederzubeleben. FOTO HITS stellt sechs von ihnen auf den Prüfstand.

Mythos: Zahnpasta macht defekte CDs wieder lesbar.

Wenn eine CD zerkratzt ist, sind die Daten darauf nicht unbedingt verloren. Ihre Wiederherstellung hängt davon ab, wo sich die Schäden befinden: Auf der Oberseite wirken sie sich schlimmer unten, außerdem ist ihre Tiefe entscheidend.

Kleinere Schäden behandelt man mit weißer Zahnpasta. Nach dem Auftragen wird sie mit einem weichen Tuch mehrere Minuten lang mit kreisenden Bewegungen verteilt. Danach wäscht man die CD mit Wasser gründlich ab und trocknet sie, bis keinerlei Tropfen mehr anhaften. 

Falls das nichts genützt hat, hilft eventuell die kostenlose Software „CD Recovery Toolbox“ weiter. Voraussetzung ist, dass der CD-Schacht den Silberling zumindest akzeptiert, also er nicht endlos darin rotiert. Das Programm ist in der Software-Datenbank von www.fotohits.dezu finden.

Wahr? Ja!

Hintergrund: Die Zahnpasta schleift die Polycarbonat-Schutzschicht auf dem Datenträger etwas ab. Das vermindert die Tiefe von Kratzern, wodurch das Licht des Abtast-Lasers weniger stark gebrochen wird.

 

Mythos: Indem man eine Festplatte einfriert, werden elektronische Verbindungen wieder geschlossen.

Es gibt zwei Theorien, warum Einfrieren zumindest kurzzeitig Festplatten wieder lesbar machen soll: Kälte lässt bekanntlich Objekte schrumpfen. Feinste elektronische Verbindungen, die sich über die Jahre hinweg etwa durch Erwärmung ausgedehnt haben, werden nach einem Aufenthalt im Gefrierfach wieder geschlossen, und die Daten wieder lesbar.

Eine andere Theorien beruht darauf, dass ein Schreib-Lesekopf am Plattenschmierstoff (das so genannte Lubrikant) festkleben kann. Bei sinkender Temperatur soll er sich wieder lösen.  

Wahr? Nein!

Hintergrund: Erstens unterbricht das entstehende Kondenswasser mehr Kontakte als wieder geschlossen werden. Zweitens sind die als Lubrikante eingesetzten perfluorinierten Polyether für Temperaturen zwischen plus 250 Grad Celsius und minus 120 Grad Celsius ausgelegt. Man müsste also schon mit Flüssigstickstoff arbeiten, um etwas zu bewirken. Der aber richtet sicher mehr Schaden an, als dass er Nutzen bringt.

Mythos: Indem man eine Festplatte erhitzt, bringt man sie wieder zum Laufen.

Die Idee setzt am Spindelmotor an, der die Laufwerksplatten einer magnetooptischen Festplatte antreibt. Austauschen kann man ihn nicht, denn er wurde in einem Reinraum eingebaut. Öffnet man ihn, gibt ihm der eindringende Staub den Rest. Stattdessen soll ihn eine Erwärmung im Back­ofen ausdehnen, sodass sich Blockaden lösen und er wieder andreht. 

Wahr? Nein!

Hintergrund: Ein Festplattenantrieb besteht aus filigranen Teilen, die im Nanometerbereich zusammenarbeiten. Sie durch Erhitzung zu lösen ist ebenso unsinnig, wie eine Uhr mit einem Flammenwerfer zu reparieren.

 

Mythos: Wenn man eine Festplatte beim Starten leicht schlägt, lösen sich verharzte Teile.

Tatsächlich können nach einigen Jahren die Teile einer Festplatte „festbacken“. Davon ausgenommen sind selbstverständlich SSD-Platten, die mit nicht-mechanischen Flash-Speichern bestückt sind. Die Teile einer solchen „sticky disk“ (berüchtigt war etwa die Seagate ST 125) konnte man durch leichtes Klopfen wieder lösen.

Wahr? Ja! und Nein!

Hintergrund: Tatsächlich klebten in den Kindertagen des Computers die Köpfe von Festplatten gelegentlich am Lubrikant fest. Mit sehr viel Glück konnte sie ein Schlag wieder lösen. Noch häufiger beschädigte man sie irreparabel. Bei heutiger Miniaturtechnik ist dies sogar sehr wahrscheinlich.

Bild

Mythos: Baut man „gesunde“ Teile in eine defekte Festplatte ein, wird sie wiederbelebt.

Eine Festplatte beinhaltet Magnetscheiben zur Speicherung. Theoretisch kann man sie in einen neuen Spenderkorpus transplantieren. Dasselbe gilt für Platinen, also die Steuerelektronik. Eine solche Heimwerkeraktion wäre billiger, als eine teure Spezialfirma damit zu beauftragen.

Wahr? Ja und Nein!

Hintergrund: Die Kalibrierung, die bei der Herstellung vorgenommen wird, ist für jede Festplatte einzigartig. Sind die Lese-/Schreibköpfe und Magnetscheiben nicht aufeinander abgestimmt, können sie aufeinandertreffen und es kommt zum „Headcrash“ – die beschichtete Oberfläche wird unwiderruflich beschädigt. Außerdem erreicht man zu Hause niemals die Bedingungen eines Reinraums. Jedes eingedrungene Staubkorn stört eine Platte, die mit über 5.000 Umdrehungen pro Minute rotiert und dabei im Mikrometerbereich arbeiten muss. 

Eine Platine allerdings, die nicht direkt am Schreib-/Lesevorgang beteiligt ist, kann man gefahrlos in wenigen Minuten austauschen. Doch selbst wenn der neue Spenderkorpus aus derselben Serie wie die Platine kommt, gibt es Unterschiede: Erstens nehmen die Hersteller innerhalb einer Produktionsserie gelegentlich Anpassungen vor. Zweitens sind etwa die Korrekturparameter der Schreib-/Leseköpfe individuell verschieden. Die Festplatte startet zwar eventuell, doch bleiben die Daten unlesbar.

 

Mythos: Von einer formatierten Festplatte oder SD-Karte sind keine Daten wiederherstellbar.

Wurden Bilddaten etwa auf einem USB-Stick oder einer Speicherkarte gelöscht, sind sie einfach wiederherstellbar. Dies erledigen Spezialprogramme, die in der Software-Datenbank auf unserer Website www.fotohits.de zu finden sind. Ein Helfer ist im Kasten auf der vorhergehenden Seite aufgeführt. Doch wenn ein Speichermedium darüber hinaus formatiert wurde, gelten die Daten als unrettbar verloren.

Wahr? Nein!

Hintergrund: Jede Festplatte enthält die Daten und eine Art Inhaltsverzeichnis, das angibt, wo sie sich befinden. Gibt man „Löschen“ an, werden sie zuerst einmal nur aus diesem Inhaltsverzeichnis entfernt. Eine Formatierung hingegen schreibt die Dateisystem-Metadaten (unter anderem das Inhaltsverzeichnis) um und löscht so vorhandene Dateien. Doch solange man sie nicht überschreibt, bleiben sie physikalisch vorhanden. Windows Vista oder Windows 7 jedoch überschreiben (außer bei der Schnellformatierung) die Daten beim Formatieren gleich mit Nullen, sodass eine Rettung mit normalen Mitteln unmöglich ist.

Software

H2TESTW

Das Windows-Programm meldet, wenn ein Speichermedium Schwächen aufweist.

Link: https://www.heise.de/download/product/h2testw-50539

 

CD Recovery Toolbox

Die Freeware rettet verlorene Daten von CDs, DVDs oder Blu-Rays. 

Link: https://www.oemailrecovery.com/cd_recovery.html

 

PC Inspector File Recovery

Stellt Daten etwa auf SD-Karten oder USB-Sticks unter Windows her.

www.pcinspector.de

 

Wenn alles nicht hilft, muss man einen Dienst zur Datenrettung googeln.

Bild