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Suchersysteme

Der Sucher ist für den Fotografen das Fenster zur Welt. Seine Entwicklung begann mit einer simplen Mattscheibe und setzte sich bis zur elektronischen Informationszentrale fort. Der Artikel stellt die verschiedenen Bauweisen und ihre jeweiligen Vorteile dar. 

Der Sucher einer Kamera ist das wichtigste Werkzeug zur Bildgestaltung. Mit ihm kontrolliert der Fotograf den Bildausschnitt beziehungsweise den -aufbau so­wie die Schärfentiefe. Elektronische Sucher moderner Digitalkameras geben da­rüber hinaus durch die Belichtungssimulation noch mehr Kontrollmöglichkeiten. Sie zeigen, wie das Foto bei aktuell eingestellter Blendengröße und Verschlusszeit aussehen wird.

Konzeptvielfalt

Die „Suchersysteme“ der ersten Kameras bestanden aus einer Mattscheibe an der Gehäuserückseite, auf die das Bild des Objektivs projiziert wurde. Um es besser sehen und beurteilen zu können, ver­schwan­den die Fotografen unter einem großen schwarzen Abdecktuch und tauschten für die eigentliche Aufnahme die Suchermattscheibe gegen eine Filmplatte mit fotografisch empfindlichem Material aus.

Einfache Kameras der Fotografie-Antike besaßen mechanische Zielhilfen, mit der man das Motiv anpeilen konnte. Sie erlaubten aber keine Bildkontrolle, sondern nur eine grobe Richtungssteuerung.

Messsucher

Leica-Messuchersystem
Das Messuchersystem der Leica-Kameras nutzt zwei Sucherfenster, deren im Okular eingespiegelte Bilder zur Scharfstellung in Übereinstimmung gebracht werden müssen.

Mit den ersten Messsucherkameras wie der 1936 gebauten Contax II von Zeiss Icon sowie der später sehr erfolgreichen Leica-M-Serie wurde sowohl die Kontrolle des Bildausschnitts als auch die Scharfeinstellung erheblich komfortabler und präziser.

Bei Messsucherkameras ist ein Spiegelsystem, das den Bildausschnitt von zwei Sucherfenstern an der Front im Sucherokular übereinander legt, mit der Entfernungseinstellung der Kamera verbunden. Bringt man die beiden Bilder durch Verdrehen des Fokusrings am Objektiv in Deckung, ist das Foto damit scharf gestellt.

Ein Problem eines solchen Messsuchers ist jedoch, dass das Bild nicht direkt durch das Objektiv gesehen wird. Und weil er und die Optik einen kleinen Abstand zueinander besitzen, kommt es zum „Parallaxen­effekt“, also einer Verschiebung von Sucherbild und späterem Foto. Dieser Effekt wirkt sich bei Motiven direkt vor der Kamera – also bei Nahaufnahmen – am stärksten aus.

Spiegelreflex

Pentax K-S2
Spiegelreflexsystem der Pentax K-S2.

Um dieses und weitere Probleme zu beheben, entwickelte die Fotoindustrie das Spiegelreflexsystem, bei dem das durch das Objektiv fallende Bild auf einen Spiegel gelenkt wird und somit wieder seitenrichtig im Sucherokular zu sehen ist. Eine Variante dieses Prinzips ist der „Porro“-Sucher von älteren Olympus-Modellen wie der E300, der mit einem weiteren Spiegelsystem statt eines Prismas arbeitet.

Die Kameras werden als „SLRs“ bezeichnet, deren Kürzel für „Single lens reflex“ steht, weil nur mit einem Objektivsystem gearbeitet wird. Zuvor gab es bereits „zweiäugige“ Spiegelreflexkameras (TLR für „Twin lens reflex“) wie die berühmte Rolleiflex-Serie. Hier war das Aufnahmeobjektiv mit einem zweiten „Sucherobjektiv“ auf einer Standarte angebracht, bewegten sich bei der Verstellung der Schärfe gemeinsam und erlaubten so eine Schärfekontrolle. Dabei wiesen sie aber eben auch den Parallaxeneffekt auf.

Moderne Sucher

Porro-Sucher
Der Porro-Sucher der Olympus E-300 erlaubte eine besonders flache Kamerabauweise. Hierfür wird der Strahlengang vom Objektiv zuerst auf die Seite abgeleitet und dann über einen seitlichen Spiegel ins Okular projiziert.

Das Spiegelreflexsystem mit einem Objektiv war vor allen Dingen erfolgreich, weil man auch beim Wechsel der Objektive immer genau das sieht, was später aufgenommen wird. Es ist also unabhängig davon, ob ein extremes Weitwinkel- oder ein starkes Teleobjektiv zum Einsatz kommt.

Eine vergleichbare Bildkontrolle konnten später kompakte Digitalkameras bieten, als sie neben ihren winzigen optischen Suchern noch elektronische Monitore in Form ihrer Rückseiten-LCDs mit Live-Bild-Funktionen bekamen. Die sehr niedrige Auflösung der ersten LCDs konnte diesen Vorteil noch nicht ganz ausspielen. Zum Stand von 2018 liefern diese Monitore im Durchschnitt 1.040.000 RGB-Bildpunkte und damit Live-Sucherbilder, die eine gute Bildkontrolle erlauben. Viele Kompakt- und spiegellose Systemkameras besitzen daher keinen – wie auch immer gearteten – optischen Sucher mehr.

Die ersten digitalen Spiegelreflexkameras konnten noch kein Live-Sucherbild erzeugen, da ihr optisches Spiegelsystem im Weg ist und erst beim Auslösen den Weg zur Sensoroberfläche freigibt. Es dauerte einige Jahre, bis auch die SLR-Hersteller Kameras anboten, bei denen man vor der Aufnahme in einen Modus für die elektronische Sucherdarstellung umschalten konnte. Der Spiegel wird dabei vor der Aufnahme hochgeklappt, um per Bildsensor das elektronische Sucherbild zu erzeugen.

Spiegellos

Seit Jahren werden spiegellose Systemkameras immer erfolgreicher. Sie verwenden Wechselobjektive, aber ihre Sucher arbeiten elektronisch. Mit einer Auflösung von bis zu 2,44 Millionen RGB-Bildpunkten (Stand 2018) sind diese inzwischen so gut, dass man kaum noch einen „sichtbaren Unterschied“ zwischen analogem Spiegelreflexsystem und Video-Sucher bemerkt. Das Fehlen des Spiegelkastens macht die Kameras auch noch erheblich kompakter.

Weitere Vorteile: In das elektronische Sucherbild lassen sich mehr Informationen einblenden. Elektronische Wasserwaage, „Fokus Peaking“, Belichtungssimulation und vieles mehr gehören dazu.

Spiegellose Systemkameras
Das Klappspiegelsystem einer SLR-Kamera erfordert aus mehreren Gründen viel Platz: Erstens durch den Spiegelkasten und zweitens durch das wuchtige Pentaprisma, das das Bild des Objektivs wieder seitenrichtig in das Sucherokular projiziert. Das alles entfällt bei spiegellosen Systemkameras, da sie das elektronische Sucherbild direkt vom Aufnahmesensor abgreifen.