Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
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Blick hinter rostigen Vorhang

Zeitgenössische Fotografie aus Belarus

Wer glaubt, dass Kunst nichts mit Politik zu tun hat, versteht weder vom einen noch vom anderen etwas. Selbst wenn sich beide in Elfenbeintürme oder Regierungsvillen zurückziehen, sind sie über die Menschen, auf die sie einwirken, miteinander verflochten. Wenn also in Deutschland weißrussische Fotografen ausgestellt werden, ist es klug, die dürftige Menschenrechtslage in Belarus im Hinterkopf zu behalten. Die Ausstellung "By now - Zeitgenössische Fotografie aus Belarus" ist bis 18. Januar 2015 ifa-Galerie Berlin zu sehen. Veranstalter ist das deutsche Institut für Auslandsbeziehungen. Bei der Begrüßung am 2. Oktober 2014 sprach auch Andrei Giro, der Botschafter der Republik Belarus in der Bundesrepublik Deutschland.

Nicht nur wegen der Zensur überrascht es kaum, dass über die junge Fotografenszene in Belarus wenig bekannt ist. Denn im Land selbst gibt es nur wenige Ausstellungsmöglichkeiten, im Ausland wird sie kaum wahrgenommen. Daher gewährt die Initiative des deutschen Instituts für Auslandsbeziehungen eine einmalige Chance, einen Blick hinter die Reste des eisernen Vorhangs zu werfen. Tatsächlich entstehen diese Fotos in einem Staat, der wie kaum ein anderer das unglückselige Erbe der deutsch-sowjetischen Geschichte aufrecht erhält. So etwa blieb der Zweite Weltkrieg und der Kampf der Roten Armee schon deshalb nachdrücklich im Gedächtnis, da etwa 25 Prozent der Bevölkerung durch die deutschen Besatzer direkt oder indirekt umgebracht wurden. Später brachte das Ende der Sowjetunion - anders als in anderen Staaten - keine Befreiung. Denn was Karl Marx die "zivilisierende Rolle des Kapitals" nannte (notwendige Vertragssicherheit und somit eine halbwegs funktionierende Rechtsprechung, Kontakte zu anderen Märkten und damit einhergehend anderen Gesellschaften) kam dort unzureichend zustande.

Folgerichtig beschäftigen sich die Fotokünstler mit dem diffusen Begriff von Heimat und nationaler Geschichte, insbesondere mit der (kollektiv verordneten) Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Andrei Liankevich etwa nimmt in seiner konzeptionellen Aufnahmeserie „Good bye, Motherland“ - ähnlich wie sein Kollege Alex Kladov - die Folgen dieses Kriegs unter die Lupe. Dagegen porträtierte Eugene Kanaplev-Leydik die Mitglieder der in Weißrussland populären Frauenband „Topless“. Laut Veranstalter geschieht dies "in sonderbaren Posen; die Aufnahmen werden zu hintergründig-zeitlosen Symbolbildern". Aleksei Shinkarenko dagegen erschaffe mit seiner Polaroid-Serie ein subtil-surreales Lebensporträt der weißrussischen Bevölkerung. Und Alexander Veledzimovich zeige vermeintlich banale Details in Wohnungen, die auf Erinnerungen verweisen, die nur zu erahnen, aber kaum mehr zu lesen seien.

Bild: Siarhei Hudzilin, aus Private President, Minsk 2011. Über ihre Bilderserie schreibt die Fotografin: Aliaxandar Lukashenka, der Präsident von Belarus, drückte seine Offenheit und Zugänglichkeit als ein "Präsident des Volkes" aus und zeigt sich oft bei öffentlichen Handlungen, ist aber ständig von Leibwächtern umgeben. Diejenigen, die an ihn herankommen, werden von den Sicherheitskräften vorselektiert. Es gibt zudem eine Reihe von Fußangeln, die es wenig empfehlenswert machen, den Präsidenten zu fotografieren. [...] Aber die Bilder im nationalen Fernsehen, wo der Präsident jeden Tag zu sehen ist, zeigen das Gegenteil - der Präsident ist uns nahe und erreichbar."

 


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