Erstellt von FOTO HITS-Redaktion
| Kategorien:  Literatur  

Mehr als reizend

Stefan Rappo lotet die Aktfotografie aus

An den Aktaufnahmen Stefan Rappos scheiden sich die Geister: Man kann sie als aufregend, überraschend oder Zumutung betrachten. Doch langweilig sind sie nie.

Dementsprechend stieg beim Blättern in „Nude“ anfangs Ärger im Rezensenten hoch. Die ersten Bildeindrücke waren: schlecht ausgeleuchtet, klischeehaft und sexistisch. Warum muss sich eine Frau in unnatürlicher Pose auf dem Liegestuhl räkeln? Warum gleiten die Hauttöne immer wieder ins Blaugrün ab? Kennt man die nach oben zappelnden Beine nicht lustig-bunter von Guy Bourdin? Dem entgegen ist im Vorwort zu lesen: „Es ist daher unglaublich schade, dass die Aktfotografie in unserer Gesellschaft mehr und mehr in ein schlechtes Licht gerückt wird. Auch die Frage nach der Qualität der Bilder stellt sich nicht mehr.“

Das galt es zu überprüfen. Beim zweiten Hinsehen ergab die Liegestuhl-Szene mehr Sinn, da ein flirrender Lichtstreif den nackten Rücken kreuzt, der zusammen mit weiteren Spiegelungen und Lichtflecken eine aufregende Aktaufnahme ergibt. Diese Beobachtung zieht sich durch fast alle Buchseiten: Provozierend unbekümmert nutzt Rappo natürliches Licht, entsprechende Umgebungen und bekannte Posen. Doch was er daraus macht, ist überraschend artifiziell, wenn nicht gar exzentrisch. Damit unterläuft er die Erwartungshaltung an Aktaufnahmen, wie man sie etwa von Marc Lagrange oder Vincent Peters kennt.

Rappos Werke sind nicht im klassischen Sinn schön. Sie wollen vor allem intensiv sein, ohne dafür ein aufwendiges Setting aufzufahren. Das eigenwillige Ergebnis reizt manchmal zum Widerspruch, ist aber fast immer aufreizend. Anders formuliert ist die eine Wirkung interessanter als die manch eines konventionellen Aktbilds, während die andere alle Erwartungen an das Genre erfüllt. 

Stefan Rappo: Nude. teNeues 2019, 208 Seiten, Hardcover, ISBN 978 3 96171 223 6, Preis: 40 Euro


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