Kolumne

Bild

Denn die einen sind im Dunkeln

Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.

Bernie Brecht.

Da will ich mich mal nicht mit fremder Feder schmücken. Dieser Text ist leider nicht meinem Griffel entfleucht. Einer meiner geschätzten Kollegen hat das 1930 geschrieben. Komischerweise wurde diese Schlussstrophe hinzugefügt, als man das Stück der filmischen Verwertung, selbstverständlich in künstlerischem schwarzweiß, anheim stellen wollte. Auch große Künstler brauchen Kohle.

Aber wie Recht hat der Brecht. Sehen, sprich: ablichten kann man nur die im Lichte. Zwar ist im Dunkeln gut Munkeln, und auch das sollte von Zeit zu Zeit sein, aber nicht Fotografieren. Nur wo es hell genug ist, gelingen herausragende Bilder. Unsere Giganten der Lichtbildnerei sprechen ja auch von „mit Licht malen“.

Ein wie ich finde sehr schönes Beispiel der Lichtmalerei. Hier wurde mit viel Schabernack ein von Silvester übriggebliebenes Feuerrad zum Malen eingesetzt. Nur durch den spielerischen Einsatz des Kontrastes, kombiniert mit der gewagten Bildaufteilung, kommt dieses Bild erst so harmonisch zu dem Betrachter herüber. 





Sie verstehen jetzt sicher besser, was ich meine. Aber das sollte uns noch nicht zufrieden stellen. Obwohl, so ein Bild, als Fototapete in Ihrem Schlafzimmer, das ist schon eine Bereicherung der Wohnbehaglichkeit. Sicher besser als so eine Nackerte Maid. Das macht doch nur unruhig.

Wir wollen aber eine Steigerung der Lichtmalerei. Meist besteht ein wirklich gutes - ich betone: GUTES - Foto aus 39,4 %  Licht, 22,4 % Schatten. Mit dem Rest können sie machen was sie wollen. Das ist dann die künstlerische Freiheit. Die darf auf keinen Fall zu kurz kommen. Vermeiden sie ein Übermaß an Schatten.

Vorsicht. Ein Bild, das zu 100% aus Schatten besteht, ist langweilig und total nicht aussagefähig. Selbst wenn Sie sich in einer depressiven Schaffensphase befinden: So ein Schnappschuss wird leicht vom Betrachter falsch verstanden. Solche Werke überlassen wir etablierten Kollegen. Ich erinnere hier an das Bild „Weißes Quadrat auf weißem Grund“. Expressionistische Konstruktivisten dürfen so etwas.


Beispiel für 100% Schatten. Man wird denken: „Dieser Kerl hat einen solchen“. Das bringt nichts und führt nur zum Aufenthalt in einer Klapsmühle. Da nimmt man Ihnen sofort die Kamera weg und ihre Karriere liegt einstweilen auf Eis. Also Vorsicht vor diesen Experimenten.

Selbstverständlich können sie ihren eigenen Schatten als stilbildendes Element einsetzten. Hier gilt es geduldig sein und auf den richtig Stand der Sonne zu warten. Dann haben sie nur einen Augenblick, und fertig ist ihr Schattenbild. Solches macht sich gut, eingebettet in einem schönen Rahmen an der Wand ihres Arbeitszimmers.  Ganz große Schattenfotografen nehmen zwei Schattenfotos und bringen diese unter zu Hilfenahme eines Passepartouts zur Geltung. Sicher es ist nicht einfach, zwei exzellente Schattenfotos zu knipsen. Aber nur Geduld. Fotografie muss weh tun.

Zwei Schattenbilder. Im geschmackvollem Rahmen. Spüren Sie, warum ich „Arbeitszimmer“ schrieb? Das beeindruckt Gäste. Wenn sie dann das Werk noch signieren, ob unten rechts oder links, spielt keine Rolle, das überlassen wir dem Schöpfer. Perfekt.



Stellen Sie aber eine Person ins Licht, dann denken Sie daran, weibliche Mitglieder der Gesellschaft knapp über 18 Jahre nicht ins harte, gleißende Sonnenlicht zu platzieren. Spätestens so mit  19 Jahren beginnt der Alterungsprozess des Körpers. Die Haut  fängt an schrumpelig zu werden. Das sieht nicht sehr vorteilhaft aus. Also wenn ihre Frau Gemahlin, in Ermangelung eines dieser jungen Dinger, herhalten muss, dann etwa 2 bis 3 Blenden überbelichten und nur bei leicht bedecktem Himmel das Shooting anberaumen. Dann schrauben sie noch einen Weichzeichner drauf und fertig ist die „Lichtgestalt“.


Auf das Sinnliche des Körperlich-Leiblichen, auf die Erotik des Weltbezuges, wollte ich hier nicht ganz verzichten. Links der männliche Körper in praller Sonne. Sozusagen die Ungeschminkte Wahrheit. Damit das Model sich nicht diskriminiert zu fühlen braucht, habe ich das Gesicht, mittels eines Balkens, (schwarz) unkenntlich gemacht. Rechts dann das erhabene Werk. Gleiche Person, zwei Blenden überbelichtet und weichgezeichnet. Bei so einer männlichen Person sollten sie wenigstens ein Softar V verwenden. Lenken sie ihr Auge auch über das Spiel der Wellen. Nicht nur der Körper wurde ins rechte oder linke Licht gesetzt.




Wobei die Sinnlichkeit in unserem Schaffen nie zu kurz kommen sollte. Ein hüllenloser Frauenkörper, besser zwei, bei Vollmond, getaucht ins malerische Blau, am Badestrand, wiedergegeben als lyrische Elegie, das sollten wir lichtmalen. So ein Bild wird Spuren in der Geschichte der Fotografie hinterlassen.

Wenn Ihnen dies gelingt dann stehen sie nicht mehr im Dunkeln, sondern man wird in Ihnen endlich den Licht  gewordenen Künstler sehen.

Sinnlicher geht’s eigentlich überhaupt nicht mehr. Ich war schon bei  dem Shooting mächtig blau. Dann kamen die großen, rabiaten, italienischen Brüder der beiden Nymphen, die haben mir dann blaue Flecken an meinen zarten Körper gemacht. Ach, wäre ich doch nur im Dunkeln geblieben.




Klaus-Dieter Jendrissek
Der Autor hat sein Honorar für die Opfer des Erdbebens in Japan gespendet.


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