Kolumne

Bild

Wie ich wurde was ich bin, oder: Agfa Click–Clack

Um den geneigten Leserinnen und Lesern zu zeigen, in welch zartem Alter ich die Werke schaffen konnte, sei hier ein Bild eingefügt. Leider verwackelt. Mama hatte wohl die Einstellung B wie „Brutalstschnellste Auslösezeit“ gewählt. Frauen und Technik sind der Feind scharfer Bilder. Trotzdem erkennt man, wie ich schon damals sehr lässig die Welt mit meinen eigenen Augen, völlig ohne Brille, betrachtete und welchen Wert ich auf mein Äußeres legte. Wie elegant eine Hose in Socken mit Hausschuhen aussehen kann, wird hier überdeutlich. Man könnte von Italo-Schick sprechen. Ich glaube dem Senjore Armani wurde dieses Bild von einem Trend-Scout zugespielt und so entstand die klassische Armani-Silhouette.

 

 

Die Weichen wurden schon im zarten Alter von elf Jahren gestellt: Ich bekam meine erste Kamera. Eine Agfa Clack oder doch Click? Egal. Auf jeden Fall ein wirklich revolutionäres Kamerasystem. Zum Beispiel hatte dieses Wunderwerk deutscher Kamerakonstrukteure eine messerscharfe Optik mit der Brennweite von 72,5 Millimetern und die enorme Lichtstärke von gigantischen 11. Da kannste mal was mit reißen. Und dann der Film: Ich sage nur Mittelformat – Rollfilm – 120. Geiles Teilchen.

 

Irgendetwas muss bei der Archivierung dieses Bildes schiefgegangen sein. Aber da ich nichts anderes habe, muss dieses Bild genügen. Ich glaube, man kann auch so erahnen, welch brillante Technik sich im Inneren dieser Mittelformatkamera befunden haben muss. Nur scheint das Bild mal ins Badewasser gefallen zu sein.

 

 

Ab diesem Tag wurde alles in der Manier eines Henri Cartier-Bresson dokumentiert. Wenn ich sage alles, dann meine ich das auch so. Vor mir und meiner Lichtstarken war keiner sicher. Überall, wo ich unterwegs war, begleitete mich meine teure Freundin, die Agfa Click-Clack. Leider sind viele der Bilder unwiederbringlich verloren gegangen. Das Leben ist manchmal wirklich grausam.

 

Schon als sehr junger Mensch versuchte ich mich an der Brüchigkeit der Welt. Die beiden Personen symbolisieren meine eigene Janusköpfigkeit. Der Geröllhang im rechten Teil des Bildes führt direkt nach unten. Ab hier geht es höllisch runter. Bei sehr genauen Hinsehen entdeckt das geübte Auge auch einen Starkstrommasten. Diesen habe ich bewusst in die linke obere Bildhälfte komponiert. Auch die Randunschärfe wurde als stilbildendes Sujet im Werk eingesetzt.

Aber nicht nur düstere Bilder entstanden in dieser meiner Schaffensphase. Nein, auch leichte, beschwingte Photographien. Die das Auge des Betrachters mit Wärme erfüllten, sodass ihm ganz warm ums Herz wurde. Man erkannte sehr früh: Er - also ich - wird mal ein ganz Großer.

Da ich meine Dokumentationsmaschine immer mit mir herumschleppte, belief sich mein monatlicher Filmverbrauch auf gut ein Film (mit zwölf Bildern) die Woche. Das ging, auch wenn ich Schwarzweiß bevorzugte, ganz schön in den Geldbeutel von Herrn Papa. Aber dieser konnte anhand der Ergebnisse erkennen, wie ich um jedes Bild gerungen habe. Sicher war er sehr stolz auf seinen Sohn.

 

Eine meiner ersten Kunstlichtaufnahmen. Ich hatte zum Geburtstag ein Blitzgerät bekommen. Entfernte man die Blitzbirnchen zu schnell und diese landeten auf der Auslegeware, hatte man ein Loch im Teppich. Aber solche Missgeschicke konnten mich nicht entmutigen. Rückschläge nahm ich schon damals gelassen zur Kenntnis. Bei diversen Familienfeiern gelangen prächtige Schnaps–Schüsse. Deshalb - und um den Abgelichteten nicht zu kompromittieren - griff ich zum Trick „Luftschlangen im Vordergrund“. Dadurch wurde die Person unkenntlich und nur das Gläschen war megascharf getroffen. Warum ich damals das Bild mit: „Fürs Verbrecheralbum“ betitelte, ist mir nach so langer Zeit entfallen.

 

Mein besonderes Interesse lag auch in der nachträglichen Aufbereitung und Präsentation der Bilder. Erst jetzt sehe ich, dass ich das Fotobuch schon 40 Jahre vorweg genommen hatte. Ich bin praktisch der Erfinder dieses Wahnsinns. Leider hießen die Dinger damals Album. Selbige waren aber für mich unerschwinglich. Daher bastelte ich mir etwas Eigenes mittels Schreibpapier, Locher und Heftung.

 

 

Aus den Klauen eines Menschen gerettet, der alles in die grüne Papiertonne haut. Vermutlich das erste Fotobuch. Damals noch fälschlicherweise Album genannt. Uhu hat meine schönsten Bilder ruiniert. Das Zeug kam, nahm man zuviel davon, an der Seite der Bilder wieder heraus und verklebte alles. Dieses Mistzeug bekam man nicht mehr runter. Das war genau so, wie wenn Leonardo sich gegen die noch nicht getrocknete Mona Lisa gelehnt hätte. Das Werk wäre hin. Dem da Vinci ist das nicht passiert. Mir schon. Eine Zeitlang habe ich dann noch mit Tesafilm experimentiert. Aber auch das hat sich nicht bewährt. Er fing an zu gilben.

 

 

 

Kolumne: Klaus-Dieter meint ...